August Bebel: Verschärfung der Klassengegensätze

Wir haben gesehen, daß August Bebel recht hatte, als er den modernen Klassenstaat und unser öffentliches Leben beurteilte. Nun wollen wir sehen, was er zu den Klassengegen-sätzen zu sagen hat. Der Klassenkampf, auch wenn er nicht immer die Form von Demonstrationen, Streiks oder Bürgerkrieg annimmt, so ist er doch ein ständiger Begleiter der kapitalistischen Gesellschaft (die Kapitalisten nennen es „Marktwirtschaft“, weil „Markt“ eben friedlicher klingt als „Kapital“). Und die Bourgeoisie setzt alles daran, um diesen Zustand zu erhalten. Klar, es ist natürlich überaus profitabel, wenn da welche arbeiten und den notwendigen Mehrwert produzieren, aus dem das Kapital entsteht. Und je dümmer (d.h. unwissender!) die Arbeiter sind, desto leichter ist es, sie hinter’s Licht zu führen mit Sprüchen wie diesen: „Wir sitzen alle in einem Boot!“ – „Der Kommunismus ist erledigt!“ Wirklich? – „Revolution war gestern, heute hat jeder eine Chance!“ – „Wir müssen uns alle anstrengen, dann geht es auch allen besser!“ – „Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, nur Leistung wird belohnt!“ oder: noch besser „in einer Wohlstandsgesellschaft“ …und was dergleichen flaue Redensarten noch sind. Damit nur ja keiner auf die Idee kommt, es ginge ihm schlecht – der Kapitalismus sei schuld. Wem überhaupt geht es schlecht, der Mittelschicht, den „Leistungsträgern“ oder wem? Du fühlst dich von denen belogen? Ja, so ist es!

„Der Klassenkampf“, so lesen wir in Meyers Jugendlexikon, „ist die ständige offene und versteckte Auseinandersetzung zwischen den antagonistischen Klassen. Er ist die entscheidende unmittelbare Triebkraft und eine objektive Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung in allen antagonistischen Klassengesellschaften. Der Klassenkampf entspringt der gegensätzlichen Stellung der Klassen in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, dem Besitz oder Nichtbesitz an Produktions-mitteln. Die Klasseninteressen der Ausbeuterklassen und der ausgebeuteten Klassen sind gegensätzlich und unversöhnlich. Der Marxismus-Leninismus unterscheidet drei Grundformen des Klassenkampfes, die untrennbar miteinander verbunden sind. (Tab.1)
Tabelle
Der Klassenkampf der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten wird von der marxistisch-leninistischen Partei auf der Grundlage ihrer wissenschaftlich ausgearbeiteten Strategie und Taktik geleitet. Der Klassenkampf des Proletariats und seiner Verbündeten erreicht seinen Höhepunkt in der sozialistischen Revolution. Sie beseitigt die politische und ökonomische Macht der Bourgeoisie und errichtet die Diktatur des Proletariats. Nach der Errichtung der politischen Macht der Arbeiterklasse setzt sich der Klassenkampf auf einer qualitativ höheren Stufe fort.“ [1]

August Bebel schreibt:

Die Verschärfung der Klassengegensätze

In unserem sozialen Leben wird der Kampf um die Existenz immer schwieriger. Der Krieg aller gegen alle ist in heftigster Weise entbrannt und wird unbarmherzig, oft ohne Wahl der Mittel geführt. Der Satz: Ote-toi de là, que je m’y mette (Gehe weg da, damit Ich mich hinsetze) wird mit kräftigen Ellenbogenstößen, mit Püffen und Kniffen in der Praxis des Lebens verwirklicht. Der Schwächere muß dem Stärkeren weichen. Wo die materielle Kraft, die Macht des Geldes, des Besitzes nicht reicht, werden die raffiniertesten und nichtswürdigsten Mittel in Anwendung gebracht, um ans Ziel zu kommen. Lüge, Schwindel, Betrug, falsche Wechsel, falsche Eide, die schwersten Verbrechen werden begangen, um das ersehnte Ziel zu erreichen. Wie in diesem Kampfe einer dem anderen gegenübertritt, so Klasse gegen Klasse, Geschlecht gegen Geschlecht, Alter gegen Alter. Der Nutzen ist der einzige Regulator für die menschlichen Beziehungen, jede andere Rücksicht muß weichen.

Das Schicksal der Leiharbeiter und Pendler

Tausende und aber Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen werden, sobald der Vorteil es gebietet, aufs Pflaster geworfen und sind, nachdem sie das letzte, was sie besaßen, zusetzten, auf die Öffentliche Wohltätigkeit und die Zwangswanderschaft angewiesen. Die Arbeiter reisen sozusagen in Herden von Ort zu Ort, die Kreuz und die Quere durch die Lande, und werden von der Gesellschaft mit um so größerer Furcht und mit um so tieferem Abscheu betrachtet, als mit der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit ihr Äußeres reduziert und in weiterer Folge auch ihr Inneres demoralisiert wird. Die honette Gesellschaft hat keine Ahnung, was es heißt, monatelang sich die einfachsten Bedürfnisse für Ordnung und Reinlichkeit versagen zu müssen, mit hungrigem Magen von Ort zu Ort zu wandern und meist nichts als schlecht verhehlten Abscheu und Verachtung gerade von denen zu ernten, welche die Stützen dieses Systems sind. Die Familien dieser Armen leiden die gräßlichste Not und fallen der öffentlichen Armenpflege anheim. Nicht selten treibt die Verzweiflung die Eltern zu den schrecklichsten Verbrechen an sich und an den Kindern, zum Mord und Selbstmord. Namentlich mehren sich in Zeiten der Krise diese Verzweiflungsakte in erschreckendem Maße.
VerzweiflungViele junge Leute sind verzweifelt…

Aber die herrschenden Klassen stört dieses nicht. In derselben Zeitungsnummer, die solche Taten der Not und Verzweiflung meldet, stehen die Berichte über rauschende Festlichkeiten und glänzende offizielle Schaustellungen, als schwämme alles in Freude und Überfluß. Die allgemeine Not und der immer schwerer werdende. Kampf um die Existenz jagen Frauen und Mädchen immer zahlreicher der Prostitution und dem Verderben in die Arme. Demoralisation, Roheit und Verbrechen häufen sich, und was prosperiert, sind die Gefängnisse, die Zuchthäuser und sogenannten Besserungsanstalten, welche die Masse der Insassen kaum zu fassen vermögen.

Woher kommt die kriminelle Gewalt?

Die Verbrechen stehen in engster Beziehung zu dem sozialen Zustand der Gesellschaft, was diese allerdings nicht Wort haben will. Sie steckt, wie der Vogel Strauß, den Kopf in den Sand, um die sie anklagenden Zustände nicht eingestehen zu müssen, und lügt sich zur Selbsttäuschung vor, daran sei nur die „Faulheit“ und „Genußsucht“ der Arbeiter und ihr Mangel an „Religion“ schuld. Das ist Selbstbetrug der schlimmsten oder Heuchelei der widrigsten Art. Je ungünstiger der Zustand der Gesellschaft für die Mehrheit ist, um so zahlreicher und schwerer sind die Verbrechen. Der Kampf um das Dasein nimmt seine roheste und gewalttätigste Gestalt an, er erzeugt einen Zustand, in dem der eine in dem anderen seinen Todfeind erblickt. Die gesellschaftlichen Bande lockern sich und der Mensch steht als Feind dem Menschen gegenüber.[2]

Brauchen wir die Todesstrafe?*

Die herrschenden Klassen, die den Dingen nicht auf den Grund sehen oder nicht sehen wollen, versuchen nach ihrer Art den Übeln zu begegnen. Nehmen Armut, Not und infolge davon Demoralisation und Verbrechen zu, so sucht man nicht nach der Quelle des Übels, um diese zu verstopfen, sondern man bestraft die Produkte dieser Zustände. Und je größer die Übel werden und die Zahl der Übeltäter sich vermehrt, um so härtere Verfolgungen und Strafen meint man anwenden zu müssen. Man glaubt den Teufel mit Beelzebub austreiben zu können. Auch Professor Häckel findet es in der Ordnung, daß man gegen Verbrechen mit möglichst schweren Strafen vorgeht und namentlich die Todesstrafe nachdrücklich anwendet.[3] Er ist darin mit den Rückschrittlern aller Schattierungen in schönster Übereinstimmung, die ihm sonst todfeindlich gesinnt sind. Häckel meint, unverbesserliche Verbrecher und Taugenichtse müßten wie Unkraut ausgerottet werden, das den Pflanzen Licht, Luft und Bodenraum nimmt. Hätte Häckel sich auch mit dem Studium der Sozialwissenschaft befaßt, statt sich ausschließlich mit Naturwissenschaft zu beschäftigen, er würde wissen, daß diese Verbrecher in nützliche, brauchbare Glieder der menschlichen Gesellschaft umgewandelt werden könnten, falls ihnen die Gesellschaft entsprechende Existenzbedingungen bieten würde. Er wurde finden, daß Vernichtung oder Unschädlichmachung des einzelnen Verbrechers so wenig das Entstehen neuer Verbrechen verhindert, wie wenn man auf einem Acker zwar das Unkraut beseitigt, aber übersieht, Wurzeln und Samen mit zu vernichten.

Nur eine Veränderung der Gesellschaft schafft Abhilfe

Die Bildung schädlicher Organismen absolut in der Natur zu verhüten, wird dem Menschen nie möglich sein, aber seine eigene, durch ihn selbst geschaffene Gesellschafts-organisation zu verbessern, daß sie günstige Existenzbedingungen für sie schafft, gleiche Entwicklungsfreiheit jedem einzelnen gibt, damit er nicht mehr nötig hat, seinen Hunger, oder seinen Eigentumstrieb, oder seinen Ehrgeiz auf Kosten anderer zu befriedigen, das ist möglich. Man studiere die Ursachen der Verbrechen und beseitige sie, und man wird die Verbrechen beseitigen. [4] Diejenigen, welche die Verbrechen beseitigen wollen, indem sie die Ursachen dazu beseitigen, können sich selbstverständlich mit gewaltsamen Unterdrückungsmitteln nicht befreunden. Sie können die Gesellschaft nicht hindern, sich in ihrer Art gegen die Verbrecher zu schützen, die sie in ihrem Treiben unmöglich gewähren lassen kann, aber sie verlangen um so dringender die Umgestaltung der Gesellschaft von Grund aus, das heißt die Beseitigung der Ursachen der Verbrechen.

Quelle:
August Bebel: Die Frau und der Sozialismus, Dietz Verlag Berlin, 1952, S.394-397.
(Zwischenüberschriften von mir, N.G.)

Zitate:
[1] Meyers Jugendlexikon, VEB Bibliographisches Institut Leipzig (DDR), 1976, S.353f.
[2] Schon Plato kannte die Folgen eines solchen Zustandes. Er schreibt: „Ein Staat, in dem Klassen bestehen, ist nicht einer, sondern zwei: den einen bilden die Armen, den anderen die Reichen, welche beide, immer jedoch sich gegenwärtig auflauernd, zusammenwohnen.. Die herrschende Klasse ist am Ende außerstande, einen Krieg zu führen, weil sie sich dann der Menge bedienen muß, von welcher sie sich dann, wenn sie bewaffnet Ist, mehr fürchtet als vor den Feinden.“ Plato, Staat. Aristoteles sagt: „Zahlreiche Verarmung ist ein Übelstand, weil es fast gar nicht zu verhindern ist, daß solche Leute Unruhestifter werden.“ Aristoteles, Politik.
[3] Ernst Haeckel: Natürliche Schöpfungsgeschichte, Vierte Auflage, S.155/156, Berlin 1873.
[4] Ähnliches sagt Plato in seinem „Staat“: „Verbrechen haben ihren Grund in der Bildungslosigkeit und in der schlechten Erziehung und Einrichtung des Staates.“ Plato kannte also das Wesen der Gesellschaft besser als viele seiner gelehrten Nachfolger nach dreiundzwanzighundert Jahren. Das ist nicht gerade erfeulich.

* „Todesstrafe für Kinderschänder“ – ist das nicht heute ein Slogan der Neonazis???

Siehe auch:
Woher kommt die kriminelle Gewalt?

August Bebel: Unser öffentliches Leben

August  Bebel (1840-1913)
August Bebel (1840-1913)

Wie aktuell! Möglicherweise ist der Autor des nachfolgenden Textes in Wirklichkeit die Reinkarnation einer bereits verstorbenen Person oder – es handelt sich hier gar um eine Fälschung? Weder – noch. August Bebel (1840-1913) „war einer der angesehensten und von den Arbeitern am meisten geliebten Führer der deutschen Sozialdemokratie (als diese noch nicht in den Sumpf des Opportunismus gesunken war, N.G.). Bebel, von Beruf Drechsler, erarbeitete sich beharrlich die sozialistische Weltanschauung. Bereits als 27jähriger wurde er Abgeordneter des Norddeutschen Reichstages. Als Mitbegründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (Eisenach 1869) kämpfte er gemeinsam mit Wilhelm Liebknecht (dem Vater von Karl Liebknecht, N.G.) um den Zusammenschluß mit den „Lassalleanern“ (Gotha 1875) und um die Durchsetzung des Marxismus in der geeinten Partei. Daß diese aus den schweren Jahren des Sozialistengesetzes gestärkt hervorging, ist vor allem seiner klugen politischen Führung zu verdanken. Bebel leistete eine für die Entwicklung der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung bedeutsame Arbeit als Führer und marxistischer Theoretiker (davon zeugt besonders sein Werk ‚Die Frau und der Sozialismus’) und Agitator.“ [1] Doch davon will die SPD heute nichts mehr wissen. Oder sie beruft sich zu Unrecht auf ihn.

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Die „Neue Ökonomische Politik“ in der Sowjetunion (1921-1925)

Und Lenin hatte recht behalten:
NEP

Aus dem Rußland der NÖP wird das sozialistische Rußland werden. (LENIN)

Gelegentlich hört man, daß die Sowjetunion kurz nach dem Sieg der Oktoberrevolution wieder zu kapitalistischen Wirtschaftsmethoden zurückgekehrt sei, weil diese angeblich besser funktionierten. Das zeugt jedoch von wenig Sachkenntnis. Der X.Parteitag faßte den Beschluß, die Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer zu ersetzen und zu einer neuen ökonomischen Politik überzugehen. Damit war es privaten Unternehmern gestattet, kleine Betriebe zu eröffnen.

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Woher kommt die kriminelle Gewalt?

Immer wieder hört man heute fast beschwörend die Forderung nach einer gewaltfreien Gesellschaft. Bereits an Schulen wird mit einem gewissen Eifer „Gewaltprävention“ betrieben, „Streitschlichter“ sind im Einsatz, immer mehr „Sozialarbeiter“ werden gebraucht, um Gewalttätigkeiten unter Jugendlichen zu vermeiden. Doch Gewalt gibt es bereits in der Familie, im Alltag und nicht zuletzt im Beruf. Mal verdeckt, mal offen. Und „mit aller Härte des Gesetzes“ versuchen Richter und Staatsanwälte gegen die Gewalttäter vorzugehen. Ist nun die kriminelle Gewalt in unserer heutigen kapitalistischen Gesellschaft ein vermeidbares Übel? Nein. Sie ist kein vermeidbares Übel, sie ist eine systembedingte Begleiterscheinung. Das Leben ist bei weitem keine Idylle. Auch wenn es in den bürgerlichen Medien, in Heimatfilmen und Schlagertexten gern so dargestellt wird. „In der wirklichen Geschichte“, so schreibt Karl Marx, „spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt die große Rolle.“ [1] Und mit zunehmender Verschärfung der Systemkrise des Imperialismus entstehen massenhaft kriminelle Verhaltensweisen.

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Das Jucken der Umbenennungen….

Von Ljubow Pribytkowa

Mit freundlicher Genehmigung übernommen von Kommunisten-online
Aus dem Russischen übersetzt von NN

Kommunisten-online am 12. Oktober 2012 – In Irkutsk gibt es einen Professor namens Alexander Wladimirowitsch Himmelstein. Er ist eine wohlbekannte Persönlichkeit. In jungen Jahren machte er zunächst erfolgreich Karriere als Komsomolfunktionär an der Irkutsker Staatsuniversität, wo er Geschichte studierte. Später wurde er Sekretär des Komsomol-Stadtkomitees. Aber seine kommunistischen Überzeugungen in der Führung des Komsomol war nur verbaler Art. Ohne Skrupel übernahm er die bürgerliche Konterrevolution Ende der 80er Jahre und setzte sich aktiv dafür ein. Erst fiel er dem Bürgermeister auf, und später wurde er vom Gouverneur bevorzugt. Dann wurde er politischer Kommentator der Zeitung „Ostsibirische Prawda“. In den Zeitungen „Iswestija“, „Komersant“ und Sobesjednik“ wurde nicht wenig von ihm veröffentlicht. Den neuen Herren gegenüber entwickelte er einen wahren Untertanengeist.

Vom Komsomolsekretär zum antikommunistischen Schreihals – A.W.Himmelstein

Jetzt isA.W.Himmelsteint Himmelstein ein aufstrebender Geschäftemacher. Er ist Vorsitzender der Irkutsker Regionalorganisation des Journalistenverbandes der Russischen Föderation. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Theorie und der Praxis der Journalistik an der Irkutsker Universität. Er ist Chefredakteur und Herausgeber der Zeitung „Ostsibirische Prawda“ und der Wochenschrift „Konkurrent“. Außerdem ist er Präsident der größten Gesellschaft, der Baikalmediengruppe. Jetzt hängt in seinem Büro nicht mehr ein Leninbild an der Wand, wie zu seiner Jugendzeit, sondern auf dem Tisch steht eine Büste des Zaren Alexander II. Und er macht die fette Kohle. Allein an Subventionen für die von ihm herausgegebenen Zeitungen werden aus dem Budget des Gebietes Millionen aufgewendet. Doch auch er bekommt sie nicht umsonst, denn er dient den Machthabern als Inhaber von Glaube und Wahrheit. Er geht Hand in Hand mit der bürgerlichen Macht, in einer Richtung, und keinen Schritt abseits.

Die russische Konterrevolution zum Siege führen

Und sie haben ein klares Ziel: die bürgerliche Konterrevolution bis zum siegreichen Ende zu führen und alle sowjetischen Ansichten, die sowjetischen Moral und die kommunistischen Ideen des Marxismus aus dem Bewußtsein der Menschen zu tilgen. Und die bürgerliche Konterrevolution kann als beendet gelten, sobald die Bourgeoisie nicht nur in der Wirtschaft und der Politik, sondern auch in der geistigen Sphäre des menschlichen Daseins dominiert. Doch diese Aufgabe gehört nicht gerade zu den einfachsten. Vor einigen Jahren rief der damalige Präsident Rußlands, Dmitri Medwedjew, die Kampagne der Entstalinisierung der Gesellschaft ins Leben. Er gab der Entsowjetisierung und Entkommunisierung einen neuen Anstoß, die Anfang der neunziger Jahre mit der Liquidierung der Sowjetmacht im Land begonnen hatte. Und solche kirchlichen Dunkelmänner, wie die Pfaffen Tschaplin und Smirnow, haben das Vorhaben gebilligt.

Wer war eigentlich Karl Marx???

Es wurde der „Rückführungsfond“ geschaffen, in dem sich die dubiosesten Gestalten mit raffinierten antikommunistischen Veranlagungen vom Typ eines Kulturministers der Russischen Föderation, Wladimir Medinski, oder des Menschenrechtsberaters des russischen Präsidenten, Michail Fedotow, der „Gehirnparasit Medwedews“, wie er von APN genannt wurde, versammelten. Der Präsident des Fonds Juri Bondarenko und Vizepräsidentin D.W. Petrowna verbergen zwar ihren grimmigen Haß auf den Führer des weltweiten Proletariats Lenin. Doch die herausragenden Persönlichkeiten unserer Geschichte und der Welt, wie Marat, Karl Marx, Friedrich Engels, Sophia Perowskaja* und Andrej Scheljabow, Stepnjak Krawtschinski und Chalturin, die Bolschewiken Dzierżyński und Swerdlow, Kirow und Urizki, die ihr Leben für die Befreiung des arbeitenden Volkes von der Unterdrückung gaben, bezeichnen alle diese Pseudopatrioten nur noch als Terroristen. Und sie spucken aus beim Namen Stalins. Und sie klopfen an alle Türen und fordern von den Staatsorganen, eine Kampagne zu starten, um Denkmäler zu vernichten, Städte, Straßen und Plätze umzubenennen, und ihnen wieder veraltete Bezeichnungen zu geben, die den Menschen nicht bekannt sind, und die nur noch in historischen Büchern zu finden sind.

Der geifernde Haß der russischen Antikommunisten

Von animalischem Haß gegenüber allem Sowjetischen sind auch viele Irkutsker Schreiberlinge, sowie Doktoren aller möglicher Fachrichtungen durchdrungen. Einige Professoren und Schriftsteller, die sich für berühmt halten, juckt es geradezu, Straßen in Irkutsk umzubenennen. Am 2. September 2012 trat dieser Professor Himmelstein im Irkutsker Rundfunk auf. Mit derselben Leidenschaft, die er als Sekretär der Irkutsker Organisation des Leninschen Kommunistischen Jugendverbandes an den Tag legte, bewies er jetzt allen Zuhörern, daß man einen großen Teil der Straßen, die mit der sowjetischen Vergangenheit verbunden sind, umbenennen muß. „Viele Menschen, nach denen die Straßen benannt sind“, so belehrte er seine Zuhörer, „waren niemals in Irkutsk, und warum sollen unsere Kinder deren Namen kennen?“… Weder Chalturin, Scheljabow, noch Sophia Perowskaja waren jemals in Irkutsk. „Und überhaupt – Marat war ein Franzose.“ Und weiter sagte er: „Lenin hat überhaupt keine Beziehung zu Irkutsk.”

Irkutsk
Irkutsk, Karl-Marx-Straße (Foto:O .Tajewskaja)

Die Pinscher in den Professorenmänteln

So, so! Dümmer geht’s nimmer! Zur ganzen Welt hat Lenin eine Beziehung, und so auch zu Irkutsk. In Frankreich gibt es eine Leninallee (Avenue Lenine), eine Allee Wladimir Iljitsch Lenin (Avenue Vladimir Illich Lenine) und es gibt sechs Leninstraßen (Rue Lenine). Auch in Großbritannien gibt es zwei Leninstraßen, in Italien vier. Sogar im afrikanischen Land Somalia ist eine Leninstraße bekannt. Und unsere Pinscher im Professorenmänteln leiden unter dem Wahn, daß zu viele Städte, Siedlungen, Straßen, Fabriken und Großbetriebe, Bergwerke und Wasserkraftanlagen nach Lenin benannt sind … Diese Unglücklichen verstehen nicht, wie groß die Hochachtung des werktätigen Volkes unserer Erde vor dieser wahrhaft großen bedeutenden Persönlichkeit war. Die Große Sozialistische Oktoberrevolution 1917 hat bei der weltweiten Bourgeoisie einen grimmigen Zorn auf den ersten Arbeiter- und Bauernstaat hervorgerufen, und der Führer des Weltproletariats, Lenin, erscheint ihnen sogar nach seinem Tod noch furchtbar. Gerade deshalb hat auch die Perestrojka in der UdSSR mit einer Entleninisierung begonnen. Man fing damit an, die Werke Lenins aus den Hochschulprogrammen der öffentlichen Fachrichtungen zu entfernen, die gesammelten Bände Lenins aus den Bibliotheken hinauszuwerfen.

Der Lügner aus der Mottenkiste des Antikommunismus

Im Jahre 2003 veröffentlichte der Verlag „Junge Garde“ in einer Serie „Das Leben bemerkenswerter Menschen“ ein Buch des bekannten englischen Antikommunisten Robert Payne „Lenin. Leben und Tod“. Zweimal habe ich dieses dicke Buch mit dem Bleistift in der Hand durchgelesen – mich hat es geschüttelt. Von dem, was darin über die politische Tätigkeit Lenins geschrieben ist, über den Kampf der Bolschewiki um die Macht der Arbeiter und Bauern, entspricht nicht ein einziges Wort der Wahrheit. Alles ist Lüge! Aber meine Erschütterung ist nicht mit dem Inhalt des Buches verbunden. Krieg ist eben Krieg. Der Antikommunismus kann im Prinzip niemals eine ehrliche, offene Ideenschlacht gegen den wissenschaftlichen Kommunismus führen. Weil die Existenz des Kapitalismus heute keine wissenschaftliche Rechtfertigung hat. Sein Ziel ist die Jagd nach Gewinn, das nackte Bargeld. Und deshalb ist die Lüge sein natürliches Vorgehen im psychologischen Krieg. Mich hat es geschüttelt, bis zu welchem Niveau die Redaktion des bekannten Verlages gefallen ist, genauer gesagt, sich prostituiert hat.

Intellektuelle Speichellecker

Und noch ein „Gelehrter“ von der Russischen Akademie der Wissenschaften, ein gewisser Wladimir Lawrow, trat mit der Bitte an das Untersuchungskomitee Rußlands heran, die Arbeiten Lenins auf Extremismus zu prüfen; die Russisch-Orthodoxe Kirche hat seine Idee unterstützt. Das antikommunistische Dunkelmännertum wird stärker! Diese geistige Metamorphose ist leider zu einer Massenerscheinung geworden. Die speichelleckende Intelligenz steht Schlange, um mit ihrer intellektuellen Zunge den delikaten Körperteil der an die Macht gekommenen Geldsäcke zu lecken. Dozenten, Professoren und Federfuchser gehören zu denen, die sich mit großer Bereitwilligkeit in die Dienste der Bourgeoisie begeben haben, wenngleich sie überflüssig sind. Nicht genug, daß sie auf die Volkshelden, auf die eigene Mutter spucken, man hat sie nur noch nicht vom Freßnapf entfernt. Bei Professor Alexander Dulow in Irkutsk hat das Jucken nach einer Umbenennung der Straßen einfach eskaliert. Er hört nicht auf, überall über die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Änderung der Straßennamen von Karl Marx und Lenin und anderer sowjetischer Straßen zu reden, und über die „Terroristin“ Sophia Perowskaja, daß man es schon nicht mehr hören kann. Für einen normalen Menschen ist es unverständlich, wieso der 85-jährige Doktor der pädagogischen Wissenschaften, nicht eines seiner Jahrzehnte sowjetischer Pädagogik hervorhebt, jetzt aber mit derselben Leidenschaft denen dient, die die sowjetische Pädagogik zerschlagen haben. Wie soll man hier nicht an seinem Verstand zweifeln?

Wozu Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen – die kosten doch nur Geld…

Viele Einwohner raten in den Begegnungen mit dieser Professorenclique: „Bauen Sie doch besser einige neue Kindergärten und Sportplätze, öffnen Sie in den abgelegenen Dörfern lieber wieder einige der geschlossenen Schulen und Krankenhäuser, anstatt das Geld für die Umbenennung der Straßen auszugeben.“ Die Antwort Professor Himmelsteins lautete: „Also, immer wieder geht es um Kindergärten … und dabei wird diese Umbenennung ja nichts kosten.“ Verstehen kann man den Millionär Himmelstein schon: Kindergärten, Krankenhäuser, Schulen – was sind das für Kleinigkeiten … Im Grunde berühren ihn die menschlichen Probleme seit langem nur wenig. Auch wenn er aus den taktischen Gründen bisher noch nie in aller Öffentlichkeit so log. In der „Rossijskaja Gaseta“ vom 29.10.2008 stand in einem Artikel „Der Wunschname“: „Die Annahme eines neuen Namens ist ein teurer Spaß. Davon zeugen die Beispiele derjenigen Städte und Siedlungen, die einen historischen Namen zurückerhalten haben oder versucht haben, ihn zurückzubekommen. So wurde in 1990er Jahren die Frage der Umbenennung der Stadt Krasnodars in Jekaterinodar stürmisch diskutiert. Über diese Frage wurde sogar ein Referendum durchgeführt. Aber haben 70 % der Einwohner haben „nein“ gesagt. Und die lokalen Behörden haben errechnet, daß allein der Wechsel der Schilder 70 Millionen Rubel kosten würde.

Das Rad der Geschichte wird sich weiterdrehen!

Für Herrn Himmelstein und seinesgleichen ist es nicht von Vorteil, die Wahrheit zu sagen. Sie wissen sehr wohl, daß die Sache sich nicht auf das Auswechseln der Schilder, den Umtausch der Dokumente und Stempel begrenzt. Dem Gesetz nach kann der Staat die Umbenennung eines beliebigen geographischen Objektes nur im Ergebnis eines Referendums bechließen, doch die Kosten dafür sind vergleichbar mit den Kosten von Wahlen. Und das ist auch eine kostspielige Veranstaltung. Doch darin besteht nicht die Hauptsache. Die kapitalistischen Handlanger aus der Intelligenz und dem Klerus verzerren unsere sowjetische Vergangenheit, sie spucken auf unsere sowjetische Geschichte, sie zerstören die Denkmäler unserer teuren Menschen, sie schänden die Gräber unserer verehrten Helden und Führer. Was soll man dazu sagen. Heute ist ihre Zeit. Und diese Leute haben die Macht. Sie sind die Herren des Lebens. Sie entscheiden, wen sie hinrichten, und wen sie begnadigen. Leider ist das Rad der Geschichte in unserem Land stehengeblieben. Wenn sich aber unvermeidlich die progressive Bewegung fortsetzen wird, dann brauchen sie auch nicht mit Begnadigung zu rechnen, dann wird es sie unbarmherzig zermalmen.

* Die Generalstochter Sofia Perowskaja hatte im März 1881 die Leitung eines Attentats auf Zar Alexander II., bei dem er durch eine gegen ihn geschleuderte Bombe getötet wurde. Sie wurde vom zaristischen Regime hingerichtet.

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Meine Gedanken nach der „demokratischen Abwahl“ unserer Revolution in Nikaragua am 25. Februar 1990

(Ein Leserbrief)

Immer sind die Artikel der Genossin Pribytkowa ermutigend und erfrischend. Wer den Mut verloren hat, der kann ihn hier wieder finden. Das kenne ich auch aus der Zeit, als hier in Nikaragua die sandinistische Volksrevolution „abgewählt” wurde. Mit ein „bißchen” Contra-Terror und 50.000 Kriegsopfern, Blut und Tränen kam dann endlich so eine „Demokratie” zustande. „Bahn frei dem Tüchtigen“ – das gilt natürlich nur für den, der Geld hat. Profit geht über alles. Diesmal sogar ohne Scham und Feigenblatt: „Ich bin ein Ausbeuter – na, und?” Die Kollektivität wurde fast zum Verbrechen erklärt, das Privateigentum vergöttert. Und Subventionen wurden verteufelt – natürlich nur die sozialen Subventionen, nicht aber die für die kapitalistischen Profiteure.

Die Vandalen nach dem Verrat der Revolution

Nachdem nun der volltrunkene Hexensabbat ausgiebig, und wie wahnsinnig um das goldene Kalb herum getaumelt war, kam alsbald das schmerzhafte Erwachen in der rauhen Wirklichkeit: Krise, Arbeitslosigkeit, Bankrotte und Armut. Nun leidet darunter der Sklave, der seine Befreiung nicht erkämpfen wollte. Aber da war nichts mehr zu machen. Die gesamte von der Revolution aufgebaute Industrie, war entweder mutwillig zerstört worden, oder sie kam – aus Gier nach sofortigem Gewinn – unmittelbar danach unter den Hammer. Nach vier Jahren war das Vieh der Landgenossenschaften verschwunden, die metall-mechanischen Betriebe waren größtenteils in den Bankrott gegangen, ebenso die Textilindustrie. Die Handelsflotte mit zehn Schiffen (für so ein kleines Land ist das ganz schön viel), wurde zu Schrott gemacht. Die sowjetischen Lastwagen des größten und wichtigsten Bereichs, des Bauministeriums, wurden mit dem Schneidbrenner in Stücke geschnitten und als Schrott verkauft. Die Eisenbahn – das bis dahin fortschrittlichste Transportmittel – kam samt und sonders auf den Schrott.

Eine „Demokratie“ nach westlichem Muster

Mit dem Schneidbrenner und der „Demokratie“ hatten die neuen Herren nunmehr das erreicht, was sie mit Contra-Söldnern, Terror, Bomben und Granaten nicht zu Wege brachten. Und wir bekamen dafür „als angenehme Beigabe“ Kindernutten auf der Strasse zuhauf, Obdachlose in Massen (die man aus ihren Häusern vertrieb, weil die Revolution sie ihnen gegeben hatte), kriminelle Straßenbanden ohne Ende – und Einkaufszentren, wo nur 15 Prozent der Bevölkerung sich einen Einkauf leisten können. Das schon besiegte Analphabetentum erhob als „demokratische Errungenschaft“ wieder sein Haupt. Kindergärten, die es für alle gegeben hatte, wurden durchweg als unnötig abgeschafft. Ach ja, und fast hätte ich die vielen neuen Prachthotels vergessen – wahre Paläste, aber nichts für Hans Bohne, wie man hier so schön zu sagen pflegt (Juan Frijoles).

Opportunismus – und eine neue Chance

Hier in Nikaragua gibt es ein Sprichwort: „Wenn auch das Schlechte nicht ausbleibt, etwas Gutes hat es doch.“ Was aber ist das Gute an der Sache? Diese Himmelsteins natürlich! Da flogen Leninbände haufenweise auf den Müll. Aus Opportunismus hatte man sie sich einst angeschafft, ohne sie zu verstehen. Und dann entledigte man sich ihrer aus demselben Opportunismus. Welch eine Dummheit ist es doch, wenn man den Wert dieser Literatur nicht kennt! Solche Himmelsteins gibt es landauf, landab! Dieses Gesindel besitzt eine gallertartige Masse da, wo ehrenhafte Menschen ein Rückrat haben. Diese gehässig bellenden Kläffer – endlich bekennen sie Farbe. Wir sind sie los aus unseren Reihen. Sie haben genug Schaden angerichtet. Das ist ein Prozeß, von dem wir lernen sollten!

Das ist das Gute an unserer Niederlage: Endlich sieht man nämlich, wer wer ist. Solche Gestalten helfen uns klarer zu sehen. Und darin liegt der Keim für eine neue Revolution, die allemal besser wird. Wir haben die Gelegenheit, an diesen Himmelsteins zu lernen. Beim nächsten Mal werden sie es bedeutend schwerer haben. Die Revolution lernt immer dazu, weil sie nichts zu verlieren hat, aber alles zu gewinnen. Diese Verräter, Opportunisten und Trittbrettfahrer aber bleiben immer dieselben – sie lernen nie etwas dazu. Niemals! Deshalb gibt es keinen Zweifel: Es wird eine neue, eine bessere Sowjetmacht geben, und die wird Himmelsteinfrei sein!

Meine Grüße an die Genossin Pribytkowa.
Ulrich aus Nikaragua

(gekürzt und leicht bearbeitet, N.G.)

Wilhelm Pieck: Zur Kaderpolitik der KPD

Wilhelm Pieck
Wilhelm Pieck (1876-1960)

Lange vor dem Machtantritt Hitlers hatte die Kommunistische Partei vor dem aufkommenden Faschismus in Deutschland gewarnt. Als (bereits in der Illegalität) am 7. Februar 1933 im Sporthaus Ziegenhals bei Zeuthen zum letzten Mal unter Leitung von Ernst Thälmann eine gemeinsame Tagung des Zentralkomitees der KPD stattfand, analysierte die Führung der KPD die neu entstandene Lage und legte die Aufgaben der Kommunisten im Kampf gegen die Hitlerdiktatur fest. Trotz aller ihrer Bemühungen war es der KPD nicht gelungen, die Arbeiterklasse zu vereinen und eine faschistische Diktatur zu verhindern. Auf dieser Tagung stellte Ernst Thälmann fest: „Schon die ersten Taten der Hitlerregierung beweisen den ganzen tiefen Ernst der Situation. Es wäre ein Verbrechen, irgendwelche legalistischen Illusionen in unseren Reihen zu dulden. Wir müssen in der ganzen Arbeiterklasse darüber Klarheit schaffen, daß es wahrscheinlich keine andere Art der Ablösung dieser Regierung geben kann, als ihren revolutionären Sturz.“ Und Thälmann traf noch eine weitere wichtige Feststellung: „Das bedeutet aber nicht, daß der Sturz der Hitlerregierung und der Sieg der proletarischen Revolution unbedingt ein und dasselbe sein müssen.“ [1] Erst durch den heldenhaften Sieg der Sowjetarmee im Bündnis mit den Alliierten wurde der Sturz des Hitlerregimes möglich.

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…und der Jugend eine Zukunft

FerienlagerFrohe Ferientage verleben Jugendliche in der DDR an der Mecklenburger Seenplatte

Was gibt es Schöneres, als die Jugend für edle Ziele zu begeistern? Doch der Kapitalismus kann einem Großteil der jungen Menschen keine Perspektive bieten. Wer nicht aus einem wohlhabenden Elternhaus stammt, der hat zumeist schlechtere Chancen auf Bildung, auf Persönlichkeitsentwicklung, und im Beruf. Denn nicht allein der Fleiß ist ausschlaggebend. Auch hier wirken die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus, die unabhängig sind von den persönlichen Träumen oder Wünschen. Kein Wunder also, wenn sich junge Leute mehr oder weniger nur für Gegenwärtiges interessieren, sich bestenfalls über ihr eigenes berufliches Vorwärtskommen, über ihre Karriere Gedanken machen. Allzuoft fehlt jedoch jegliche Motivation, es herrscht eine weitverbreitete „Null-Bock-Mentalität“, und Unkenntnis über die Wirkungsmechanismen der kapitalistischen Gesellschaft, und darüber, wie man sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen und die gesellschaftlichen Verhältnisse zugunsten der Ausgebeuteten und Unterdrückten verändern kann. Nur der Sozialismus bietet eine solche Alternative. Mit der Gründung der DDR wurden erstmals in der Geschichte die Voraussetzungen dafür geschaffen, den Sozialismus auch auf deutschem Boden aufzubauen. Zum ersten Male erhielt die Jugend eine realistische, eine menschenwürdige Perspektive. Doch der Sozialismus benötigt bewußtes und engagiertes Handeln der Menschen. Das war bei weitem nicht allen klar. Deshalb setzte sich die SED Anfang 1956 sehr kritisch mit kleinbürgerlichen Verhaltensweisen auseinander. In einer Stellungnahme des Politbüros heißt es:

Eine realistische Chance

Unsere Jugend ist die erste deutsche Generation, die in einem Arbeiter- und Bauernstaat aufwächst, in dem die Werktätigen erfolgreich die sozialistische Gesellschaft errichten. Von Kindheit an umgibt sie eine freie Atmosphäre, wirkt auf sie die Förderung ihres Staates, der ihnen hilft, ihren Gesichtskreis, alle ihre Kenntnisse und Fähigkeiten ständig zu erweitern, der ihnen alle Chancen zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit eröffnet. Unsere Partei hat in ihren letzten Beschlüssen, besonders auf dem 25. Plenum des Zentralkomitees, für jeden einzelnen Jugendlichen die große Perspektive, die sich ihm eröffnet, dargelegt. Das ist für die Jugendlichen unseres Landes eine große Sache. Leuchtend hell steht die Entwicklung ihres ganzen Lebens, ihre Berufung und die neuen historischen Aufgaben vor ihnen. Diese Berufung wird unsere Jugend erfüllen, sie wird die höhere Stufe der Bewußtheit und Aktivität erreichen, wenn unsere ganze Partei ihr Herz und ihre Hilfe unserer Jugend gibt, auf neue Weise alle Teile der Jugend für das neue Leben gewinnt und sie im sozialistischen Sinne erzieht. All das fordert, eine Reihe von Fragen der Arbeit mit der Jugend neu zu stellen, eine Anzahl von Schwächen und Fehlern in der Jugendarbeit rasch zu überwinden.

Es gibt Jugendliche, die abseits stehen…

Nicht alle Jugendlichen nehmen bewußt und mit ganzer Energie an der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus, an der Stärkung und Festigung der Deutschen Demokratischen Republik teil. Viele Jugendliche lassen sich vom allgemeinen Strom des neuen Lebens mitziehen, ohne daß ihnen die große Sache des Aufbaus des Sozialismus bewußt ist, ohne die großen Möglichkeiten ganz zu erfassen und richtig zu nutzen, die die Existenz des ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates ihnen eröffnet. Es gibt Jugendliche, die abseits stehen oder dem Einfluß des Gegners unterliegen. Die Initiative und Tatkraft, die Fähigkeiten und Talente der Millionen jungen Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik werden nicht überall gefördert und für den Sieg des Neuen genutzt. Bis zu einem gewissen Grade ist all das in der bisherigen Etappe der demokratischen Umwälzungen verständlich und unvermeidlich.

Fehlende Klarheit und fehlende Motivation

Über viele Fragen der Entwicklung besteht unter der Jugend keine Klarheit. Viele Jugendliche warten ab, „was kommt“, und lassen sich treiben. Heute aber, da die weitere Perspektive der Entwicklung in Deutschland klar ist und neue große Aufgaben vor uns stehen, kann dieser unbefriedigende Zustand nicht länger geduldet werden. Jetzt geht es um die bewußte Teilnahme der gesamten Jugend am großen Aufbauwerk des Arbeiter- und Bauernstaates, darum, den ganzen jugendlichen Schwung, die ganze jugendliche Kraft für die Festigung, Stärkung und Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik einzusetzen. (…)

Es gilt, die Jugend zu befähigen, selbst den Kampf gegen ungesunde Erscheinungen, gegen falsche Auffassungen, gegen nationalistische und chauvinistische Vorurteile zu führen. Das ist um so notwendiger, als der Gegner, der deutsche und amerikanische Imperialismus, von Westdeutschland aus einen erbitterten Kampf führt, um durch alle ihm verbliebenen Kanäle auf unsere Jugend einzuwirken und die giftige Saat seiner imperialistischen Ideologie in ihre Köpfe zu pflanzen. Dieser Kampf verschärft sich und wird sich weiter verschärfen … Durch Schundliteratur und Comics versuchen die imperialistischen Verderber Deutschlands, die Moral unserer Jugend zu untergraben. …

Auch in der DDR gab es noch dieses kleinbürgerliche Denken

In Teilen der Jugend leben kleinbürgerliche, rückständige Stimmungen und pazifistische Tendenzen. Viele junge Menschen, die nie das traurige Los der kapitalistischen Ausbeutung und Arbeitslosigkeit kennenlernen mußten, nehmen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik als selbstverständlich hin und sind nicht bereit, für ihre Mehrung und Verteidigung Opfer zu bringen und zu kämpfen. Bei solchen Jugendlichen zeigt sich das Bestreben, „die Staatskuh zu melken“, möglichst wenig zu arbeiten und möglichst viel zu verdienen. Sie stellen ungerechtfertigte Forderungen, ohne selbst am Kampf um die Erfüllung ihrer Wünsche teilzunehmen und gleiten auf den Standpunkt von Spießern herab, die Verantwortung scheuen und nur die Sehnsucht nach einem ruhigen einträglichen Posten haben. Von feindlichen Elementen werden solchen Jugendlichen Auffassungen eingegeben, die gegen ihren Staat gerichtet sind. Zum Schaden ihrer eigenen, persönlichen Entwicklung widerspricht ihr Verhalten dem Aufbau der Grundlagen des Sozialismus, der auch ihnen eine glückliche Zukunft sichert. Das Ergebnis zeigt sich, bei ihnen in schlechter Arbeitsmoral, geringer Arbeitsproduktivität und mangelnder Achtung vor dem Volkseigentum, Vernachlässigung der eigenen Bildung und Abgleiten in eine demoralisierende Vergnügungssucht. An alledem zeigt sich, daß die Forderung der Partei nach allseitiger Entwicklung der Jugendarbeit nicht genügend beachtet wird. (…)

Welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus?

Aufgabe der Partei ist es, die Jugend zu führen. Aber die Jugend führen, heißt nicht, die Jugend bevormunden. Die Parteimitglieder helfen der Jugend auf Grund ihrer großen Erfahrungen und mit dem Mittel der geduldigen Überzeugung, des liebevollen Ratschlags, Unklarheiten zu überwinden und den richtigen Platz im Leben zu finden. Sie lehren die Jugend durch ihr Beispiel, wie man in allen Situationen selbstlos und opferbereit für die Sache der Arbeiterklasse, die Sache des Friedens und des Sozialismus kämpft.

Quelle:
Der Jugend unser Herz und unsere Hilfe, Dietz Verlag Berlin, 1956, S.7-14,26f.
(Zwischenüberschriften von mir, N.G.)
Foto: aus „Vom Sinn unseres Lebens“, Verlag Neues Leben Berlin, 1983, S.239.

Siehe auch:
Eine verlorene Generation