Wohl wissend, daß die verleumderische Geheimrede Chruschtschows nicht ohne Wirkung auf die kommunistischen Parteien bleiben würde, unterzog sich der Dresdner Kommunist Max Seydewitz 1961 der schwierigen Aufgabe, die große Kraft der Sowjetunion darzustellen, ohne jedoch mit Hinweisen auf die bedeutende Rolle Stalins für die kommunistische Bewegung zu sparen. Es war ein Drahtseilakt, denn auch in der SED mehrten sich nach 1956 diejenigen Stimmen, welche bereit waren, den Verleumdungen antikommunistischer Kräfte im Land des Roten Oktober Glauben zu schenken. Im Klappentext des Buches heißt es: Die große Kraft der Sowjetunion das ist kein Schlagwort, sondern eine entscheidende weltpolitische Realität. Wie konnte sich auf dem Boden des ehemals rückständigen zaristischen Agrarlandes eine mächtige sozialistische Industriemacht entwickeln? Was sind die Quellen der großen Kraft der Sowjetunion? Auf diese und andere Fragen antwortet der bekannte Publizist Professor Max Seydewitz in diesem Buch. Der heldenhafte Sieg der Sowjetunion unter Führung Stalins im Großen Vaterländischen Krieg war der überzeugendste Beweis für die Richtigkeit der Lehren Lenins und die Lebenskraft des Sozialismus. Es ist klar, wenn es um die Leninsche Generallinie der Partei geht, daß dabei auch eine klare Abrechnung mit antikommunistischen Kräften gezogen werden muß. Denn auch heute noch gibt es diese Kräfte in diversen trotzkistischen Medien…
Um die Leninsche Generallinie der Partei
Als Lenin im Januar 1924 starb, hinterließ er als Vermächtnis an die Partei, an die Sowjetregierung und das Sowjetvolk die Mahnung, in dem von ihm vorgeschlagenen Sinne den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion zu verwirklichen. Trotzki und seine Anhänger nannten Lenins Vermächtnis eine reaktionäre Utopie. Sie behaupteten, daß es unmöglich wäre, den Sozialismus in einem einzigen Lande aufzubauen. Man müßte die Kraft des Sowjetstaates für die Entfesselung der Weltrevolution einsetzen, weil der Weg zum Sozialismus nur beschritten werden könne, nachdem die Arbeiterklasse in den entscheidenden kapitalistischen Ländern durch eine siegreiche Revolution die politische Macht erobert hätte.
Trotzkis irreführende und gefährliche Behauptungen
Trotzki erklärte, daß nach dem ersten Weltkrieg die Sowjetunion ebenso wie jedes andere Land immer mehr in den Kreislauf der Weltwirtschaft einbezogen würde und zwangsläufig von der Entwicklung in der Welt abhängig wäre. Er bezeichnete es als unsinnig, angesichts dieser Tatsache von der Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande zu reden, denn ein isolierter sozialistischer Staat kann nur in der Phantasie eines Journalisten oder eines Verfassers von Resolutionen bestehen. In der Broschüre Unsere Revolution behauptete Trotzki, daß die Arbeiterklasse Rußlands außerstande wäre, sich ohne direkte staatliche Unterstützung des europäischen Proletariats an der Macht zu halten und ihre zeitweise Herrschaft in eine dauernde zu verwandeln. Diese Behauptung begründete Trotzki unter anderem auch damit, daß die Widersprüche in der Stellung der Arbeiterregierung in einem rückständigen Lande mit einer erdrückenden bäuerlichen Bevölkerung nur im internationalen Maßstabe gelöst werden können, in der Arena der proletarischen Weltrevolution.
Der Sieg der Sowjetunion bestätigte die Leninschen Ideen
In diesem Satz sind zwei wesentliche Gedanken der trotzkistischen Ideologie enthalten. Erstens die Behauptung, daß die Arbeiterklasse im agrarischen Rußland nach der Eroberung der politischen Macht solange auf der Stelle treten müsse, bis die Arbeiterklasse in den entscheidenden europäischen Industrieländern im revolutionären Kampf die politische Macht erobert hätte. Zweitens die Behauptung, daß die Arbeiterklasse die Masse der Bauern in Rußland nicht für die Unterstützung des sozialistischen Aufbaus gewinnen könne. Damit verneinte Trotzki die Möglichkeit eines Bündnisses zwischen Arbeitern und werktätigen Bauern, das Lenin immer als die entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion bezeichnet hatte. Die Entwicklung hat die ganze Konzeption Trotzkis und auch seine These von der Unmöglichkeit eines Bündnisses zwischen Arbeitern und Bauern in der Sowjetunion widerlegt. Die Kommunistische Partei hat unter Führung ihres Zentralkomitees ein inniges unlösbares Bündnis zwischen Arbeiterklasse und. Bauernschaft zustande gebracht. Die Stärke und die Festigkeit dieses Bündnisses offenbarten sich in ganz besonders überzeugender Weise in dem Abwehrkampf der Sowjetvölker gegen die die Freiheit und die Unabhängigkeit ihrer Heimat bedrohenden nazistischen Welteroberer, in dem Arbeiter und Bauern in edlem Wettstreit miteinander das letzte für die Verteidigung und für den Sieg ihres Sowjetvaterlandes hergaben.
Stalin entlarvt die ultralinken Verräter Trotzki, Sinowjew und Kamenew
Um die Durchführung des Leninschen Vermächtnisses wurde in der Kommunistischen Partei jahrelang eine lebhafte Diskussion geführt. Dabei trat Stalin als Repräsentant der Leninschen Lehre gegen die defätistischen und sowjetfeindlichen Theorien“ und Praktiken Trotzkis, Sinowjews, Kamenews und anderer auf. Stalin brandmarkte Trotzkis ultralinke Phrasen über die Inszenierung der Weltrevolution als einen Versuch, den jungen Sowjetstaat auf Abwege zu führen und von der Erfüllung der ihm gestellten realen Aufgaben abzuhalten. Stalin wies nach, daß die trotzkistischen Auffassungen, wenn sie verwirklicht würden, kein anderes Ergebnis als den Zusammenbruch des Sowjetstaates und den Sieg der Konterrevolution haben könnten. Die Grundgedanken zu der damals entscheidenden Streitfrage findet man unter anderem in einem Brief, den Stalin im Januar 1925 an einen zweifelnden Genossen schrieb.
In diesem Brief heißt es:
Es wäre töricht gewesen, die Oktoberrevolution in Rußland zu beginnen, wenn man überzeugt gewesen wäre, daß sich das siegreiche Proletariat Rußlands bei offenkundiger Sympathie von Seiten der Proletarier der anderen Länder, aber ohne den Sieg in mehreren Ländern, einem konservativen Europa gegenüber nicht behaupten kann. Das ist kein Marxismus, sondern ganz gewöhnlicher Opportunismus
Das Gefährlichste in unserer politischen Praxis ist, wenn man das siegreiche proletarische Land als etwas Passives zu betrachten sucht, das, solange nicht die siegreichen Proletarier anderer Länder zu Hilfe kommen, zu nichts weiter fähig ist, als auf der Stelle zu treten. Nehmen wir an, daß es in den nächsten fünf bis zehn Jahren Sowjetordnung in Rußland im Westen noch nicht zur Revolution kommt; nehmen wir an, daß unsere Republik während dieser Periode ihre Existenz trotzdem behauptet als Sowjetrepublik, die unter den Verhältnissen der NÖP die sozialistische Wirtschaft aufbaut glauben Sie, daß sich unser Land während dieser fünf bis zehn Jahre damit beschäftigen wird, Wasser ins Meer zu tragen, und nicht damit, die sozialistische Wirtschaft zu organisieren? Man braucht diese Frage nur zu stellen, um zu begreifen, wie gefährlich die Theorie der Leugnung des Sieges des Sozialismus in einem Lande ist. [1]
Der Sozialismus ist keine Utopie
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei wandte sich entschieden gegen diejenigen, die es als eine Utopie bezeichneten, die sozialistische Wirtschaft in der Sowjetunion zu organisieren, und dem jungen Sowjetstaat empfahlen, passiv auf den Sieg der Weltrevolution zu warten. Zweifellos wäre der Sowjetstaat früher oder später zusammengebrochen, wenn die Arbeiterklasse entsprechend den falschen und konterrevolutionären Parolen Trotzkis ihre in der Oktoberrevolution eroberte politische Macht nicht nach den Vorschlägen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei zielbewußt für den Aufbau des Sozialismus eingesetzt hätte.
Die Vorteile der Bündnispolitik
In seiner Broschüre über Die Ergebnisse der XIV. Konferenz der Kommunistischen Partei Rußlands wies Stalin nach, daß der von einer kapitalistischen Umwelt umgebene Sowjetstaat sehr wohl imstande ist, die inneren Widersprüche zwischen dem Proletariat und der Bauernschaft aus eigenen Kräften aufzuheben und das Bündnis zwischen diesen beiden entscheidenden Klassen zustande zu bringen. Weil aber durch dieses Bündnis die den Aufbau des Sozialismus hemmenden inneren Schwierigkeiten überwunden werden können, ist der Sowjetstaat auch ohne direkte staatliche Unterstützung durch das europäische Proletariat in der Lage, eine sozialistische Wirtschaft bei sich zu organisieren.
Überwindung der nationalen Bourgeoisie oder Rücktritt
In einem Referat auf dem VII. Plenum des EKKI (Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale) im Dezember 1926 sagte Stalin über die Konsequenzen, die sich zwangsläufig daraus ergeben würden, wenn man die Möglichkeit des sozialistischen Aufbaus in einem Lande verneint: Entweder können wir, indem wir unsere ,nationale Bourgeoisie überwinden, den Sozialismus aufbauen und ihn letzten Endes errichten dann ist die Partei verpflichtet, an der Macht zu bleiben und den sozialistischen Aufbau im Lande zu leiten im Namen des Sieges des Sozialismus in der ganzen Welt; oder wir sind nicht imstande, aus eigener Kraft unsere Bourgeoisie zu überwinden dann müssen wir, unter Berücksichtigung der Tatsache, daß uns die sofortige Unterstützung von außen her; durch die siegreiche Revolution in anderen Ländern, fehlt, offen und ehrlich von der Macht zurücktreten und Kurs darauf nehmen, für die Zukunft eine neue Revolution in der UdSSR zu organisieren. [2]
Das Zentralkomitee war vom Sieg des Sozialismus überzeugt
Der Standpunkt der Trotzki und Sinowjew war der Standpunkt des Klassenfeindes, der mit allen Mitteln auch mit Hilfe der mit ihm verbündeten Trotzkisten, seine frühere Herrschaft in Rußland wieder aufrichten wollte. Der Verzicht auf den Aufbau des Sozialismus im Sowjetstaat hätte zwangsläufig zur Niederlage der Revolution und zur Wiederaufrichtung der alten Klassenherrschaft der Bourgeoisie und Gutsbesitzer geführt. Aber das Zentralkomitee der Partei Lenins war fest davon überzeugt, daß die Arbeiterklasse der Sowjetunion nach der erfolgreich durchgeführten Oktoberrevolution im festen Bündnis mit der Bauernschaft fähig war, aus eigener Kraft die russische Bourgeoisie zu überwinden und die sozialistische Wirtschaft zu organisieren. Doch hat es nie einen Hehl daraus gemacht, daß der Aufbau des Sozialismus in einem Lande inmitten einer feindlichen kapitalistischen Umwelt eine ungewöhnlich schwierige Aufgabe ist, die nur gelöst werden kann, wenn sich alle Kräfte des Sowjetlandes vorbehaltlos dafür einsetzen.
[1] J.W. Stalin, Werke, Dietz Verlag, Berlin, 1952, Bd.7, S.14/15.
[2] Ebenda, Bd.89, S.19/20.
Quelle:
Max Seydewitz: Die große Kraft, Kongreß-Verlag Berlin, 1961, S.27-31. (Zwischenüberschriften von mir, N.G.)
Siehe auch:
Der sowjetfeindliche Verschwörer Trotzki
Stalin und Kirow: Eine revolutionäre Freundschaft
Eine konterrvolutionäre Verschwörung (1936)
Max Seydewitz: Warum wurde Dresden zerstört?