„Nutzlos vertane Zeit ist auch ein Stück nutzlos vertanes Leben.“
Auch as diesem interessanten Beitrag kann man einiges lernen. Wir lesen darin das folgende:
2.3. Wandern und Kollektiv
(…) Wesentliches Motiv ist der Wunsch, in der Gemeinschaft einen Teil der Freizeit zu verbringen. Wir hoffen, dort Menschen mit gleichen Interessen und Neigungen für das Wandern, für sportliche, touristische und kulturelle Aktivitäten zu finden, uns auszutauschen und gemeinsam freuen zu können. Die Funktionäre haben als Erzieher wesentlichen Anteil an der Entwicklung eines Sektionslebens, das diesem Anspruch der Mitglieder gerecht werden soll. Ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zur Gestaltung dieses Lebens, ihr Vorbild in vielerlei Hinsicht und nicht zuletzt ihre pädagogischen Fähigkeiten entscheiden über die Entwicklung, das Reifen und den Bestand der Sektion. Dem Grad ihrer touristischen und pädagogischen Fähigkeiten ist es zuzuschreiben, ob eine Sektion ein vielfältiges, interessantes, von Kameradschaft, Freundschaft und Hilfsbereitschaft bestimmtes Leben führt, oder ob es langweilig zugeht und die Sektion in Grüppchen zerfällt, ob reglementiert wird und ob der Freizeitgestaltung nicht gemäße Forderungen gestellt werden. (…)
Wanderungen im Kaukasus
Der sowjetische Pädagoge A.S.Makarenko bezeichnet das Kollektiv als „freie Gruppe von Werktätigen, die ein einheitliches Ziel, einheitliches Handeln verbindet; es ist eine organisierte Gruppe mit leitenden Organen, mit Disziplin und Verantwortung. Das Kollektiv ist ein sozialer Organismus in einer gesunden menschlichen Gemeinschaft.“
(…) Für die Entwicklung der Sektionen und Wandergruppen ist es wichtig, zu wissen, daß sich Kollektivität nicht im Fehlen einer eigenen Meinung und Haltung und im Fehlen einer ausgeprägten Individualität zeigt, wie es unsere politischen Gegner behaupten. Die Entwicklung des Kollektivs und die Entwicklung der Persönlichkeit bilden vielmehr eine dialektische, sich gegenseitig bedingende Einheit.
Je selbständiger und verantwortungsbewußter jedes Mitglied unserer Sektion ist, je vielfältiger und ausgeprägter seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Interessen sind, desto reicher und anspruchsvoller ist auch das Leben der Sektion. Andererseits wissen wir aus der Erfahrung unseres Sektionslebens, daß alle wertvollen individuellen Eigenschaften desto besser gefördert und weiterentwickelt werden können, je mehr sich zwischenmenschliche Beziehungen der Kameradschaft, Hilfsbereitschaft, Höflichkeit u. ä. Eigenschaften herausgebildet haben.
2.3.2. Zur Rolle der Tätigkeit im Kollektiv
Wie ist die Arbeit zu gestalten, damit Touristengruppen gute Kollektive werden, in denen sich jeder Sportfreund wohlfühlt? Die Tätigkeit hat eine besondere Bedeutung für die Festigung und den Bestand des Kollektivs. Die Tätigkeiten, die in der Sektion bzw. Gruppe durchgeführt werden, sind Voraussetzung für die Entwicklung des Kollektivs; sie entscheiden darüber, ob es in einer Gruppe vielseitig und interessant, aber auch geregelt und organisiert zugeht. Entsprechend den Zielen und Aufgaben, die wir uns stellen, unterscheiden wir vor allem Tätigkeiten im Bereich der Organisation und Tätigkeiten zur inhaltlichen Gestaltung der gesamten Arbeit. (…)
…der Aufstieg
Noch wichtiger für die Kollektiventwicklung ist, daß diese Tätigkeiten nicht auf wenig Sportfreunde beschränkt bleiben, während die anderen nur passive Nutzer sind. Es geht um die Aktivität des ganzen Kollektivs. Die Einbeziehung eines jeden in die Erfüllung von Aufgaben bewirkt dessen stärkere innere Beteiligung am Sektions- und Gruppenleben, den Stolz über das Gelingen einer Veranstaltung, an der er beteiligt war, und damit die Festigung des ganzen Kollektivs. (…)
2.3.3. Die Rolle der Widersprüche im Kollektiv
Es wäre falsch, anzunehmen, daß es in einem Kollektiv im Interesse seiner Entwicklung keine unterschiedlichen Standpunkte, Meinungen, Verhaltensweisen und Motive geben darf. Widersprüche und ihre Lösung sind die Triebkraft für die Entwicklung des Kollektivs. Wir wissen, daß sie zwischen den Mitgliedern, aber auch zwischen dem Leiter und den Mitgliedern auftreten.
Werden sie nicht in Aussprachen, Diskussionen, durch gegenseitiges Verständnis und Toleranz gelöst, dann kann das je nach Bedeutung des Problems schwerwiegende Folgen für die Entwicklung der Sektion bzw. Gruppe haben. So kann z.B. die Unzufriedenheit mit den Leitungsmethoden des Übungsleiters zu Routine und Desinteresse, zu Grüppchenbildung und letztlich zur Verkümmerung oder zum Zerfall der Gruppe führen. Ursachen für die Nichtlösung von Widersprüchen sind vor allem beim Leiter zu suchen, in seiner Unerfahrenheit und vielleicht auch Unfähigkeit, die Bedeutung des betreffenden Problems für die Gruppe einzuschätzen und eine Lösung entsprechend den Zielen des Verbandslebens herbeizuführen, indem mit Sachlichkeit und Verständnis die Argumente beraten und geprüft werden.
2.3.4. Zu den Perspektiven des Kollektivs
Ein jedes Kollektiv stellt sich bestimmte Ziele. Arbeitskollektive nehmen sich vor, z. B. die Arbeitsorganisation zu verbessern. In den Freizeitkollektiven, wie den Sektionen und Wandergruppen, geht es um die niveauvolle Gestaltung des Gruppenlebens. Die Perspektiven eines Kollektivs sind also die Ziele und Aufgaben, die es sich stellt. (…)
…zum Elbrus
Werden die Perspektiven des Kollektivs … so gestellt, daß sie jeder anerkennt, dann trägt ihre Erfüllung dazu bei, daß die Sportfreunde gern am Sektionsleben teilnehmen, daß sie sich auf die Wanderungen und Sektionsabende freuen und mit Schwung das nächste Ziel ansteuern. (…)
2.3.5. Traditionen des Kollektivs
Traditionen des Kollektivs sind Gepflogenheiten, Normen, Bräuche u. ä., die sich herausgebildet haben und im Sektions- oder Gruppenleben eine Rolle spielen. Sie werden ständig wiederholt und geben somit der Sektion ihr besonderes Gepräge, wie z. B. die kulturell-ästhetische Gestaltung einer Zusammenkunft, das Singen eines Liedes zu Beginn und am Ende eines Sektionsabends, das Rezitieren eines Gedichts, die Besprechung eines Landschaftsbildes oder das Erzählen einer lustigen Geschichte. (…)
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß sich in einer Sektions- oder einer Wandergruppe auch negative Traditionen herausbilden können, z.B. undiszipliniertes Verhalten auf Fahrten und Wanderungen, das Nichtbeachten von Naturschutzbestimmungen, Unpünktlichkeit usw. Darin zeigt sich, daß Traditionen eines Kollektivs von den Zielstellungen unseres Verbandes und den Perspektiven der Wandergruppe abgeleitet werden müssen, wenn sie dazu beitragen sollen, das Leben des Kollektivs zu steuern.
2.3.6. Die Bedeutung der kollektiven Meinung und der bewußten Disziplin
Die Anschauungen und Urteile des Kollektivs, die das Verhalten und Handeln des Kollektivs bestimmen, werden als kollektive Meinung bezeichnet. Die kollektive Meinung hat eine Mittlerfunktion zwischen den gesellschaftlichen Zielstellungen der Verbandsarbeit und dem Bewußtsein des einzelnen. Die kollektive Meinung kann wesentlich dazu beitragen, daß sich auch in der Freizeit sozialistische Persönlichkeitseigenschaften entwickeln und festigen.
Sie tritt jeweils als Forderung an das einzelne Mitglied heran und veranlaßt es, im Sinne des Kollektivs zu handeln. In der kollektiven Meinung zeigt sich auch der Entwicklungsgrad des Kollektivs (…)
Damit sich eine kollektive Meinung herausbildet, ist es notwendig, bestimmte Normen des Sektionslebens deutlich zum Ausdruck zu bringen, über Vorkommnisse, die diesen Normen nicht entsprechen, wie z.B. die ungenügende Beachtung der Herbergsordnung, mangelnde Disziplin bei einer Hochgebirgswanderung, offen zu sprechen, die Meinung der Mitglieder zu verlangen und Werturteile über das betreffende Verhalten zu fordern.
…für alle ein bewegendes Erlebnis
Es muß erreicht werden, daß alle einen Standpunkt einnehmen, damit sich wirklich eine kollektive Meinung herausbildet und in bewußter Disziplin von allen beachtet wird. Diese bewußte Disziplin der Mitglieder wird von der Einsicht bestimmt, daß im Leben der Gruppe ein bestimmtes Verhalten notwendig ist, damit das Gruppenleben reibungslos und für alle angenehm und interessant verlaufen kann.
Die Kollektiverziehung in den Sektionen muß berücksichtigen, daß es sich um Freizeitkollektive handelt und die Mitglieder einer Gruppe aufgrund von beruflicher Belastung, politischer Tätigkeit, Studium, Weiterbildung und anderen Interessen nicht, an jeder Veranstaltung des Kollektivs teilnehmen können. Die Funktionäre müssen das verstehen und Einfluß auf die Aktivität der Mitglieder vor allem durch gezielte Aufgabenstellung, entsprechend den besonderen Möglichkeiten des Mitglieds, nehmen. Die Entwicklung einer Sektion zu einer festen Gruppe nimmt längere Zeit in Anspruch.
Außer den in der Gruppe zu gestaltenden Perspektiven und Traditionen sowie den vielfältigen Tätigkeiten sind die Kollektivatmosphäre, der Stil und der Ton des Umgangs untereinander, die Herausbildung einer kollektiven Meinung und disziplinierten Verhaltens, die Bereitschaft zu Kritik und Selbstkritik von besonderer Bedeutung.
Quelle:
Dr.Gerhard Claus et al., Sportliches Wandern, Sportverlag Berlin (DDR) 1977, S.24-31
Anmerkung:
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen – außer vielleicht, daß das für andere Kollektive auch gilt. Und – es handelt sich um ein „sozialistisches Kollektiv“. Daß dafür natürlich nicht der dümmliche Spruch gilt: „Der Weg ist das Ziel“, dürfte verständlich sein, denn die oben genannten Wanderer würden sonst vermutlich noch immer ziellos im Kaukasus herumirren…
Siehe auch:
Was ist eigentlich ein Kollektiv?