…dann haltet wenigstens das Maul!

Es ist alles so gekommen, wie ihr es gewollt habt – ihr Dummköpfe!
Einen sehr treffenden Kommentar findet man im folgenden Beitrag:

…Wenn nun die Regierung dieser Leute ankündigt, die Hartz IV-Sätze nur um popelige fünf Euro zu erhöhen, nachdem davor ausschließlich höhere Beträge im Gespräch waren, demonstrieren sie mit um Mitleid heischenden Parolen wie etwa „Wir kämpfen um unsre Zukunft“, die auf Papierrollen stehen, die – wie putzig! – von Grundschülern getragen werden, und fragen sich, was falsch gelaufen ist.

Nichts ist falsch gelaufen, so gar nichts. Wer unbedingt Ausbeutung will, soll seine Fresse halten, wenn er sie auch kriegt. Wer sich ohnehin nicht von der Diktatur des Kapitals befreien will, der soll nicht dumm jammern, wenn er sie auch zu spüren kriegt. Sollen sie doch obdachlos werden und im Park erfrieren, sollen sie sich doch bis dahin mit drei Jobs und schweren Gesundheitsschäden plagen, sollen sie doch am Ende im nächsten Weltkrieg an der Front im Kugelhagel fallen. Das ist dann genau das, was sie sich ausgesucht haben. Es wurde ihnen oft genug gesagt: Sozialismus oder Barbarei. Sie entschieden sich für die Barbarei, sie bekamen die Barbarei.
Fabrikhalle
Jetzt gibt es keine Ausreden der Art mehr, man habe von nichts gewußt, man habe das ja nicht absehen können. Diese Ausflüchte waren immer schon gelogen. Ratten verlassen sinkende Schiffe, Deutsche bleiben treu auch im Untergang. Wenn sie wenigstens das Maul halten könnten während sie absaufen, wäre denen, die nicht auf der Seite des barbarischen Kapitalismus stehen, immerhin ein wenig geholfen.

aus: Sowas kommt von sowas

Clara Zetkin für die Oktoberrevolution

Clara Zetkin erkannte vom ersten Tage an die historische Bedeutung der Oktoberrevolution, und vom ersten Tage an trug sie diese Erkenntnis unter die Massen, trat sie – der Hetze der Imperialisten, der rechten sozialdemokratischen Führer und der Führer der USPD zum Trotz – kühn an die Seite der Bolschewiki. In einem Leitartikel der Leipziger Volszeitung vom 30. November 1917 schrieb sie:

„Die russischen Proletarier und Bauern sind reif zur Revolution, zum Kampf für die Eroberung der Staatsmacht, weil sie die Revolution, die Staatsmacht wollen und den Kampf nicht scheuen.“ Und sie fuhr fort: „Eroberung der ganzen politischen Macht im Reiche, Eroberung der Staatsmacht, das besagt eines. Die Revolution kann sich nicht damit begnügen, Rußland politisch umzuwälzen, sie muß auch wirtschaftlich und sozial mit dem Hammer philosophieren, auf daß Neues erstehe.
clara_zetkin
Der soziale Inhalt dieser Revolution ist eine Lebensnotwendigkeit. Die Regierung der Sowjets will der Bauernschaft den Grund und Boden, will der Arbeiterklasse die Kontrolle über die industrielle Gütererzeugung übergeben. Umwälzungen sind das, denen Berge von Schwierigkeiten entgegenstehen, die aber auch der Erhebung der Bolschewiki die höchste geschichtliche Tragweite verleihen, für Rußland selbst wie für die ganze Welt.

Die wichtigste Vorbedingung für die Durchsetzung des revolutionären Programms ist der Friede. Die revolutionäre Regierung erstrebt ihn getreu der Auffassung, die die Bolschewiki seit Kriegsausbruch konsequent in die Massen getragen haben: Das Proletariat Rußlands steht in unversöhnlichem Gegensatz nicht bloß zum Imperialismus der Mittelmächte, sondern zum Imperialismus aller Staaten, Rußland inbegriffen…

Welches auch immer für den Augenblick der Ausgang des kühnen Kampfes der russischen Arbeiterklasse um die Macht und für den Frienden sein mag; er wird nicht umsonst gewesen sien. Dieser Kampf wird tiefe, unverwischbare Spuren in die Geschichte graben, und nicht nur von seinem Sieg, den die Proletarier aller Länder leidenschaftlich wünschen, von der bloßen Tatsache, daß er war, wird neues, schöpferisches Leben ausstrahlen.“

Lenin anwortete ihr in einem Brief:
alen1alen2In einem Brief an die rechten sozialdemokratischen Führer bekannte sich
Clara Zetkin eindeutig zur Diktatur des Proletariats:

„Die das revolutionäre Rußland führenden Bolschewiki stehen in einem Krieg von unvergleichlicher Tragweite … Wer das Ziel will, darf vor dem Weg zum Ziel nicht zurückschrecken. Eine proletarische, auf den Sozialismus gerichtete Revolution kann sich ohne Diktatur nicht durchsetzen, unter den in Rußland gegebenen geschichtlichen Bedingungen erst recht nicht.“ (S.273)

Quelle:
Luise Dornemann; Clara Zetkin – Ein Lebensbild, Dietz Verlag Berlin (DDR), 1957, S.266 ff.

Siehe auch: Clara Zetkin zur Frauenfrage.
http://sascha313.blog.de/2010/06/25/clara-zetkin-frauenfrage-8864603/

Willi Bredel – Die Wahrheit des Details

Im Jahre 1964, kurz vor seinem Tode, erschienen die beiden letzten Bände des damaligen Präsidenten der Akademie der Künste der DDR, des berühmten Arbeiterschriftstellers
Willi Bredel (1901-1964)
2515ru_BredelDarin schreibt Willi Bredel:

„Boisen erinnerte sich zuweilen an Alexander Prinins Ermahnung, die Literatur nicht völlig aufzugeben, über diese ersten Monate nach Kriegsende einmal zu schreiben, reizte ihn. Aber würde nicht in einigen Jahren die Erinnerung verblaßt und das starke Gefühl, das er jetzt spürte, von anderen Erlebnissen und Eindrücken verschüttet sein? Warum eigentlich machte er keine Aufzeichnungen, und wären es auch nur Stichworte, kurze Notizen! Kein Tagebuch, aber ein Merkbuch! Sollte nicht jeder so ein Merkbuch führen, um Gedanken, Empfindungen, Erkenntnisse, Begegnungen festzuhalten – etwa ein ungewöhnliches Menschenantlitz, ein treffendes Wort, einen gelungenen Vergleich, eine gute Tat, eine besondere Schuftigkeit? Verwischten sich nicht schon in seiner Erinnerung die Züge des jungen usbekischen Leutnants, des Geologen? Hatte er noch den Tonfall seiner Worte im Ohr? Wie war der erste Tag in der Rostocker Kommandantur gewesen? Wie sein Spaziergang mit Alexander Prinin durch die Straßen Berlins? Wie das erste Gespräch mit Thomas Waiß? Worte verflüchtigen sich, Bilder verschwimmen. Eine Zeit, die soviel Neues bringt, die so reich an Konflikten ist, läßt Gestriges rasch vergessen. Ich muß es festhalten, muß es ordnen, sagte sich Boisen, sonst werde ich später kein richtiges Bild davon geben können, über die ersten, tastenden und allmählich kräftiger werdenden Schritte, die nun zurückgelegt waren, würde er einmal schreiben, das wußte er. Deshalb durfte er später nicht nur auf sein Gedächtnis und auf Zeitdokumente angewiesen sein. Neben der großen Wahrheit, der historischen, kam es auch auf die Wahrheit des Details und des subjektiven Erlebnisses an … “

Quelle:
Willi Bredel, Ein neues Kapitel, Aufbau Verlag Berlin (DDR), 1967, S.320.

Siehe auch:
Willi Bredel, ein deutscher Kommunist
http://www.bredelgesellschaft.de

So war Ernst Thälmann…

E_ThälmannARBEITER UNTER ARBEITERN
von Erich Weinert

Es war im März 1930. Die Hamburger Arbeiterschaft war zu Zehntausenden nach dem Ohlsdorfer Friedhof marschiert, wo die Feier für die Opfer der Revolution stattfand. Von einer Bank am Kapellenhügel sprachen Ernst Thälmann und ich. Tausende von Fahnen leuchteten in der Märzsonne. Zehntausende von gespannten Gesichtern schauten zum Hügel hinauf, als Thälmann sprach. Die Weiteststehenden konnten seine Stimme gar nicht mehr vernehmen; aber sie verstanden an seinen Gesten, was er sagte. Und sie hoben die Fäuste als Zustimmung.

Nach dieser Kundgebung sollten wir in einem Meeting in Altona sprechen. Da aber der Aufmarsch in Ohlsdorf zwei Stunden später geendet hatte, als vorgesehen war, so war die Altonaer Versammlung inzwischen geschlossen worden. Wir hatten nun ein paar Stunden Zeit bis zur Abendversammlung. Ernst Thälmann, der Genosse Seh. und ich standen auf der Straße; und Thälmann sagte: „Wat mok wi nu?“

Ein Hitler oder Göring wären in einem solchen Falle wohl in ihren Luxuswagen zum Diner in die Villa irgendeines ihrer Geldgeber gefahren.
Ernst Thälmann sagte: „Kommt, Genossen, setzen wir uns hier in eine kleine Budike, wo wir ein bißchen diskutieren können!“

Wir gingen in die nächste Eckkneipe und bestellten drei Becher. Ernst sah sich aufmerksam im Lokal um, dann verzog er das Gesicht und sagte: „Hier is et muffig, hier verkehrt nix Gutes! Kommt!“ – Wir gingen durch die kleinen Straßen. Endlich fanden wir ein kleines Lokal, das Ernst Thälmann gefiel. „Hier sitzen wir gut. Das ist ein solides Proletenlokal.“ Da es Sonntag nachmittag war, saßen wir fast allein im Gastzimmer. Nur selten kam ein Gast, der im Vorbeigehen an der Theke sein Glas Bier trank.

Meine Begegnungen mit Ernst Thälmann waren im Trubel der Versammlungskampagnen immer nur flüchtig gewesen. An diesem stillen Sonntagnachmittag saß mir nun nicht der ernste und arbeitsame Parteiführer gegenüber, sondern der vitale, liebenswerte und heitere Mensch. Er sprach fast nur Hamburger Platt und erzählte mit viel Humor, was die sozialdemokratische Presse ihm alles anzuhängen versuchte. Zu seiner Tochter hätte vor einigen Tagen eine Mitschülerin bedauernd gesagt: „Nun hast du ja keinen Vater mehr, deinen Teddybär haben sie ja gestern in die Heilanstalt geholt!“ Mit einer bösen Niedertracht hatten die Gegner versucht, Thälmann in den Augen der Hamburger Arbeiter herabzusetzen.

In einer „Sozi“-Kneipe

An der Wand des Gastzimmers entdeckten wir ein Bild. Es war ein Holzschnitt in der Art der neunziger Jahre, auf welchem in einer Reihe von Abbildungen Rückkehr und Empfangsfeierlichkeiten der unter dem Sozialistengesetz Ausgewiesenen dargestellt waren. „Na“, sagte Ernst Thälmann, „so gemütlich würde das wohl das nächste Mal nicht wieder zugehen!“ Er betrachtete das Bild und meinte: „Das ist aber ein interessantes Dokument!“ Er rief die Wirtin und fragte sie, ob sie das Bild nicht verkaufen wolle. „Nein“, sagte die, „das ist ein sozialdemokratisches Verkehrslokal, und das Bild hängt schon bald vierzig Jahre hier.“

Mittlerweile waren einige Arbeiter an der Theke erschienen. Sie flüsterten miteinander. Zweifellos hatten sie Thälmann erkannt. Einer ging wieder hinaus und brachte nach kurzer Zeit ein Dutzend anderer mit. Aller Augen waren nun auf unseren Tisch gerichtet. Aber es war kein einziger feindseliger Blick wahrzunehmen. Die Hetze gegen Thälmann konnte bei den einfachen Proleten nicht verfangen. Wir hörten keine böse oder höhnende Bemerkung; ihre Unterhaltung hatte einen durchaus ernsten Charakter. Vielleicht stellten sie Vergleiche an: Hier sitzt der Kommunistenführer bescheiden im sozialdemokratischen Arbeiterlokal, ein Arbeiter unter Arbeitern! Kann man sich dagegen vorstellen, daß ein Wels (*) einmal in einem Berliner Kommunistenlokal einkehrte? Als wir das Lokal verließen, grüßten die Arbeiter ruhig und achtungsvoll.

Ich habe in den Jahren der Emigration, sooft ich an Ernst Thälmann dachte, auch an die sozialdemokratischen Arbeiter in der Altonaer Kneipe denken müssen. Vielleicht sitzen einige von ihnen auch heute noch da, in Flüsterunterhaltung; und einer von ihnen sagt: Hier in dieser Ecke hat auch mal unser Genosse Thälmann gesessen!

Quelle:
Erich Weinert, Prosa-Szenen-Kleinigkeiten, Verlag Volk und Welt, Berlin 1955, S.305ff.

(*) Anmerkung:
Otto Wels war von 1919 bis in die ersten Monate der Nazidiktatur einer der rechten Führer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, einer derer, die die Hauptverantwortung für die Spaltung der Arbeiterschaft und damit für die Möglichkeit der Errichtung eines offen faschistischen Regimes in Deutschland trugen.

mehr über Ernst Thälmann:
o Wer war Ernst Thälmann
o Die Rolle der Persönlichkeit
o Ernst Thälmann – hoch die Faust!

Sprache und Stil Lenins

Majakowski fand Lenins Forderung nach überlegtem Umgang mit der Sprache, nach exaktem Ausdruck, nach Synthese von Volkstümlichkeit und hohem Anspruch an Verstand und Gefühl des Hörers auch für die literarische Arbeit vorbildlich. Schon früh verkörperten Lenins Arbeiten die neue Qualität sozialistischer Literatur, die „Tatsachen zu entwirren, die Welt zu systematisieren“. 1924 regte er sechs sowjetische Schriftsteller und Philologen zu einer Untersuchung der Sprache Lenins an.
lenin

Die Polemik Lenins
von Juri Tynjanow

Lenin bekämpfte die glatten Wörter, jene Wörter, in denen die konkreten spezifischen Bedeutungen, die konkreten Zweige der lexikalischen Einheit nur verschwommen zum Ausdruck kommen, die aber ihre Kraft rein als Wort bewahren, indem sie nur Benennungen der lexikalischen Einheit selbst sind, eine Benennung der Benennung, die durch die starke Einwirkung der lexikalischen Ebene, auf der sich die Rede bewegt, verschleiert ist; und wie ich schon sagte, je abgegriffener ein solches Wort ist, desto stärker ist in ihm der emotionale „Nimbus“. Lenin schreibt über solche Wörter:

„Weniger Geschwätz über ‚Arbeitsdemokratie‘, über ‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‘, über ‚Volksherrschaft‘ und dergleichen mehr – der aufgeklärte Arbeiter und Bauer unserer Tage wird in diesen geschraubten Phrasen ebenso leicht die Gaunerei des bürgerlichen Intellektuellen erkennen, wie mancher lebenserfahrene Mensch beim ersten Blick auf die tadellos ‚glatte‘ Physiognomie und das Äußere eines ‚Gentlemans‘ sofort und unfehlbar feststellt: ,Aller Wahrscheinlichkeit nach ein Spitzbube’.“ (Bd.29, S.418) Der Polemiker Lenin befaßt sich mit dem konsequenten Fang solcher vornehmer Wörter, die „aller Wahrscheinlichkeit nach Spitzbuben“ sind. Um ein betrügerisches Wort zu entlarven, muß man seine geschlossene, geglättete lexikalische Einheit auflockern, muß man seine lexikalische Ebene entlarven. Lenin spricht von „Freiheit schlechthin“, „Demokratie schlechthin“, „Revolution schlechthin“, „Gleichheit schlechthin“.

Er befaßt sich mit der Analyse der konkreten, spezifischen Bedeutungen eines Wortes, mit der Analyse der lexikalischen Einheit der Wörter; wenn er polemisiert, eine Losung entlarvt, analysiert er sie lexikalisch und zeigt die vertuschende Wirkung des Satzes und der lexikalischen Ebene.

„Fragt sie:
– Gleichheit welchen Geschlechts mit welchem Geschlecht?
– Welcher Nation mit welcher Nation?
– Welcher Klasse mit welcher Klasse?
– Freiheit von welchem Joch oder vom Joch welcher Klasse?
Wer von Politik und Demokratie, von Freiheit, Gleichheit und Sozialismus spricht, ohne diese Fragen zu stellen, ohne sie in den Vordergrund zu rücken, ohne dagegen zu kämpfen, daß sie verschwiegen, verheimlicht, vertuscht werden, der ist der schlimmste Feind der Werktätigen . . .“ (Bd.30, S.105) …
LeninKomintern1921Lenin auf dem Treffen der Komintern (1921)

„Die Gleichheit ist eine leere Phrase, wenn man unter Gleichheit nicht die Abschaffung der Klassen versteht. Wir wollen die Klassen abschaffen, in diesem Sinne sind wir für die Gleichheit. Aber Anspruch erheben, daß wir alle Menschen einander gleichmachen werden, das ist eine hohle Phrase und die dumme Erfindung eines Intellektuellen, der sich – zuweilen in gutem Glauben – dreht und wendet, der mit Worten jongliert, die keinen Inhalt haben, mag er sich auch als Schriftsteller, manchmal als Gelehrter oder als was auch immer bezeichnen.“ (Bd.29, S.346)

Die Stilistik in Lenins Sprache
von Boris Eichenbaum

Die meisten Artikel und Reden Lenins gehören zum agitatorischen Genre. Schon die Überschriften seiner Artikel klingen häufig wie Entlarvung oder Losung: „Ein Maximum von Schamlosigkeit und ein Minimum von Logik“ (Bd.7, S.47-53), „Die sich volkstümlerisch gebärdende Bourgeoisie und die verwirrten Volkstümler“ (Bd.7, S.94-102), „Von Stufe zu Stufe“ (Bd.12, S.10-14), „Lernt von den Feinden!“ (Bd.10, S.45-46), „Die Arbeiter sollen entscheiden“ (Bd.10, S.505-509), „Schwankungen oben, Entschlossenheit unten“ (Bd.11, S.3-5) oder das berühmte „Lieber weniger, aber besser“ (Bd.33, S.474-490). Er hat fast immer einerseits Gegner und Feinde und andererseits eine Masse vor sich, die beeinflußt, überzeugt werden muß. Daher schwingen in seiner Sprache stets ein Ton von Ironie und Spott einerseits und ein Ton kategorischer, energischer Behauptung andererseits mit. Doch dieser emotionale Gesamtton ist für die Frage der stilistischen Tendenzen nicht entscheidend.
LeninKreml1921Lenin im Kreml (1921)

Beim ersten Lesen der Aufsätze Lenins kann der Eindruck entstehen, daß er keinerlei ausgeprägte stilistische Tendenzen habe, daß ihn die stilistische Seite der Sprache nicht interessiere. Keine auffallenden Rednermethoden – weder feierliche Perioden noch Vergleiche und Metaphern, weder literarische Zitate noch sonst etwas von dem, womit beispielsweise die Reden Trotzkis glänzen. Selten eine Redensart oder ein Sprichwort, noch seltener eine Bezugnahme auf die Literatur: auf „Verstand schafft Leiden“ (am meisten), auf Stschedrin, Gogol oder Turgenjew. Man könnte meinen, Lenin stehe der Sprache gleichgültig gegenüber — nicht als Schriftsteller und Redner, sondern als sachlicher Mensch, der sich der eingebürgerten Formen der russischen Intellektuellensprache bedient, wie sie sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts herausgebildet haben.

Doch im Widerspruch zu diesem Eindruck steht allein schon die Tatsache, daß Lenin sehr bestimmt an) fremden Stil reagiert und in der Polemik mit seinen Gegnern und Feinden sehr auf die stilistischen Besonderheiten ihrer Sprache achtet. Jede Partei ist für ihn nicht nur eine bestimmte Weltanschauung, sondern auch ein bestimmtes System sprachlichen Stils.

… Klare Teilung in Absätze ist ein Merkmal der Sprache Lenins, verbunden mit seinem allgemeinen Streben nach Gliederung und Folgerichtigkeit. Daher die häufige Darlegung nach Punkten („Dreierlei Umstände usw.“) Seine Absätze sind im Durchschnitt 15 bis 20 Zeilen lang, anders als die Absätze, wie sie für die Sprache impressionistischen oder expressionistischen Stils charakteristisch sind: kurz und scharf voneinander getrennt. Bei Lenin hingegen werden gewöhnlich durch besondere Ausdrücke wie „Damit nicht genug“ oder „Das Schlimme aber ist“ miteinander verbunden.

Ohne jegliche Abschweifung beginnt Lenin seine Artikel gewöhnlich unmittelbar mit dem Hauptthema oder dem Anlaß: „Rußland beendet den Krieg mit China . . .“ (Bd.4, S.371) usw.

Quelle:
V.Schklowski, J.Tynjanow u.a. – Sprache und Stil Lenins, Sechs Essays, Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR), 1970. Spektrum-Reihe 19.

Zitate:
W.I.Lenin; Werke, Dietz Verlag Berlin. (Bei den Zitaten werden jeweils nur Band und Seitenzahl angegeben.)

Der Betrug mit der "Luftbrücke"

Gegen Schieber und Spekulanten

Am 24. Juni 1948 erließ die Sowjetische Militärverwaltung einen Befehl, der jeden Verkehr auf dem Schienen- und Wasserwege und den Landstraßen unterband, der sich nicht der Kontrolle unterwarf. So begann die sogenannte „Blockade“ Berlins. Das Beharren der Sowjetischen Behörden auf ihrem Kontrollrecht begeiferte die kapitalistische Presse als „einen der brutalsten Versuche in der Neuzeit, den Massenhunger als politisches Zwangsmittel zu benutzen“. Das ist eine Lüge!
Berlin1945Berlin – Mai 1945

Der sowjetische Kommandant erbot sich, jederzeit Berlin mit Nahrungsmitteln zu versorgen, einzig und allein die Vereinigten Staaten versperrten „aus politischen Gründen“ diese Versorgungsquelle. Der Oberbürgermeister des demokratischen Sektors von Berlin, Friedrich Ebert, erklärte auf einer Pressekonferenz, daß genügend Nahrungsmittel und Kohle für ganz Berlin vorhanden seien und daß man keine Bedingungen daran knüpfen werde. Jedem einzelnen Bürgermeister stehe es frei, Nahrungsmittel für seinen Bezirk anzufordern.

Der Reuter-Senat in Westberlin — Handlanger Clays

Ernst Reuter jedoch, der Leiter der Westberliner Verwaltung, folgte den Befehlen Clays; er lehnte die Nahrungsmittel ab und verbot jedem, von dem Angebot Gebrauch zu machen. Die Kohlen und die Nahrungsmittel, die einige Leute aus dem sowjetischen Sektor heranzuschaffen suchten, wurden von der Polizei des Westsektors beschlagnahmt. Wer sich im sowjetischen Sektor zum Nahrungsmittelbezug eintragen ließ, wurde als „Verräter“ (an der Wallstreet! G. S. W.) gebrandmarkt, und man drohte ihm mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes.

Eine „christliche“ Lösung

Die Christlichen Demokraten und die rechten sozialdemokratischen Führer unter Reuter fürchteten, daß die USA den Streit beilegen und sogar Berlin verlassen könnten. Mit aller Kraft unterstützten (oder veranlaßten) sie alle möglichen Provokationen und wiesen jede Lösung zurück. Die dadurch hervorgerufenen Leiden der Westberliner Bevölkerung während der von den USA-Vertretern verhängten „Blockade“ kümmerten sie nicht.
MilitärgouverneureDie Militärgouverneure der USA, Frankreichs
und Großbritanniens: Clay, Koenig und Robertson

Die Amerikaner mußten in Berlin bleiben, wenn Reuter und seine Bande die Macht behalten sollten; daher folgten sie gehorsam jedem Wink ihrer amerikanischen Herren. Schamlos nutzten sie sogar die Leiden der Bevölkerung, für ihre demagogischen Zwecke aus, indem sie alle Schuld den Russen zuschoben. In Wirklichkeit wurden jedoch den Bewohnern Westberlins diese schweren Belastungen von der Wallstreet auferlegt, die sich dadurch einen wirksamen Reibungspunkt mit der Sowjetunion verschaffen wollte. Reuter und seine Clique mästeten sich politisch und physisch, während ihre Berliner Mitbürger hungerten.

John Foster Dulles plaudert aus

Weil viele Leute den wahren Sachverhalt der Lage nicht kannten, gaben sie der Sowjetunion schuld; einige witterten sogar eine unmittelbare Gefahr, daß die Sowjetunion den Konflikt aufbauschen könnte. Einige Hitzköpfe schrien tatsächlich nach Krieg — aber diese standen natürlich alle auf amerikanischer Seite. Für die Kriegstreiber war die Situation wie geschaffen, daher zogen sie diese Lage so lange wie nur möglich hin. Einer der Hauptsprecher der Wallstreet, John Foster Dulles, legte dies in einer Rede vor Schriftstellern am 24. Januar 1949 in Paris ganz offen dar. Darin heißt es:
Dulles
Die amerikanische Presse stellte die sinnlose und kostspielige „Luftbrücke“ als eine herrliche und heldenmütige Rettungsaktion hin. Sie kostete vielen Fliegern das Leben — aber sie war eine Rettung für die Wallstreet und eine Bürde für die Bevölkerung Berlins. Und sie kostete der Bevölkerung Westdeutschlands eine riesige Summe.
c54
Der Preis bestand nicht nur in den Kosten der Beförderung von Kohle auf dem Luftwege nach Berlin (etwa einhundert Dollar die Tonne), die auf dem Wasserwege hätte transportiert werden können, sondern auch in der Unterbindung eines normalen Handelsverkehrs und in der Vergrößerung der Spaltung Deutschlands.

Westdeutscher Separatstaat wird vorbereitet

Als schließlich die „Luftbrücke“ abgebrochen wurde, leisteten sich Clay und die Wallstreet einen neuen Betrug. Die Untersuchung, um die die Vereinigten Staaten und die Vereinten Nationen unter großem Propagandalärm und heftigen Druckmaßnahmen ersucht hatten, war ein Schuß, der sie selbst traf, denn zu viele Tatsachen wurden dadurch enthüllt. Die wiederholten sowjetischen Angebote einer Klärung waren in der Welt kein Geheimnis mehr; und es bestand daher eine ernste Gefahr, daß die Verantwortung der Regierung der Vereinigten Staaten für die Krise allgemein bekannt und begriffen würde.

Die sowjetische Regierung stellte lediglich die Bedingung, daß die Amerikaner einer neuen Tagung des Rates der Außenminister zur Klärung der Deutschlandfrage zustimmten. Das war zu vernünftig, als daß man es hätte ablehnen können. Aber selbst während der Verhandlungen über die Beendigung der „Blockade“ beeilte sich das USA-Außenministerium, den Nutzen dieser Tagung zu untergraben. General Clay schrieb, Murphy habe ihm erklärt,
Dulles2
Unter dem schweren Druck Clays stimmten die Briten und die Franzosen — Adenauer kam das sehr gelegen — dem Entwurf einer Verfassung für die Bonner Regierung zu, der dann Clay zur Bestätigung vorgelegt wurde:
„Das geschah am 12. Mai 1949 in Frankfurt, an dem gleichen Tage, an dem
die Blockade Berlins aufgehoben wurde.“ (Ebenda, s. 433.)
Das ist die Moral des Imperialismus in Reinkultur.

Quelle:
George S. Wheeler, Die amerikanische Politik in Deutschland, 1958, S. 222-224

Über das Wandern…

„Nutzlos vertane Zeit ist auch ein Stück nutzlos vertanes Leben.“
Auch as diesem interessanten Beitrag kann man einiges lernen. Wir lesen darin das folgende:

2.3. Wandern und Kollektiv

(…) Wesentliches Motiv ist der Wunsch, in der Gemeinschaft einen Teil der Freizeit zu verbringen. Wir hoffen, dort Menschen mit gleichen Interessen und Neigungen für das Wandern, für sportliche, touristische und kulturelle Aktivitäten zu finden, uns auszutauschen und gemeinsam freuen zu können. Die Funktionäre haben als Erzieher wesentlichen Anteil an der Entwicklung eines Sektionslebens, das diesem Anspruch der Mitglieder gerecht werden soll. Ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zur Gestaltung dieses Lebens, ihr Vorbild in vielerlei Hinsicht und nicht zuletzt ihre pädagogischen Fähigkeiten entscheiden über die Entwicklung, das Reifen und den Bestand der Sektion. Dem Grad ihrer touristischen und pädagogischen Fähigkeiten ist es zuzuschreiben, ob eine Sektion ein vielfältiges, interessantes, von Kameradschaft, Freundschaft und Hilfsbereitschaft bestimmtes Leben führt, oder ob es langweilig zugeht und die Sektion in Grüppchen zerfällt, ob reglementiert wird und ob der Freizeitgestaltung nicht gemäße Forderungen gestellt werden. (…)
Kaukasus1Wanderungen im Kaukasus

Der sowjetische Pädagoge A.S.Makarenko bezeichnet das Kollektiv als „freie Gruppe von Werktätigen, die ein einheitliches Ziel, einheitliches Handeln verbindet; es ist eine organisierte Gruppe mit leitenden Organen, mit Disziplin und Verantwortung. Das Kollektiv ist ein sozialer Organismus in einer gesunden menschlichen Gemeinschaft.“

(…) Für die Entwicklung der Sektionen und Wandergruppen ist es wichtig, zu wissen, daß sich Kollektivität nicht im Fehlen einer eigenen Meinung und Haltung und im Fehlen einer ausgeprägten Individualität zeigt, wie es unsere politischen Gegner behaupten. Die Entwicklung des Kollektivs und die Entwicklung der Persönlichkeit bilden vielmehr eine dialektische, sich gegenseitig bedingende Einheit.

Je selbständiger und verantwortungsbewußter jedes Mitglied unserer Sektion ist, je vielfältiger und ausgeprägter seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Interessen sind, desto reicher und anspruchsvoller ist auch das Leben der Sektion. Andererseits wissen wir aus der Erfahrung unseres Sektionslebens, daß alle wertvollen individuellen Eigenschaften desto besser gefördert und weiterentwickelt werden können, je mehr sich zwischenmenschliche Beziehungen der Kameradschaft, Hilfsbereitschaft, Höflichkeit u. ä. Eigenschaften herausgebildet haben.

2.3.2. Zur Rolle der Tätigkeit im Kollektiv

Wie ist die Arbeit zu gestalten, damit Touristengruppen gute Kollektive werden, in denen sich jeder Sportfreund wohlfühlt? Die Tätigkeit hat eine besondere Bedeutung für die Festigung und den Bestand des Kollektivs. Die Tätigkeiten, die in der Sektion bzw. Gruppe durchgeführt werden, sind Voraussetzung für die Entwicklung des Kollektivs; sie entscheiden darüber, ob es in einer Gruppe vielseitig und interessant, aber auch geregelt und organisiert zugeht. Entsprechend den Zielen und Aufgaben, die wir uns stellen, unterscheiden wir vor allem Tätigkeiten im Bereich der Organisation und Tätigkeiten zur inhaltlichen Gestaltung der gesamten Arbeit. (…)
Kaukasus2…der Aufstieg

Noch wichtiger für die Kollektiventwicklung ist, daß diese Tätigkeiten nicht auf wenig Sportfreunde beschränkt bleiben, während die anderen nur passive Nutzer sind. Es geht um die Aktivität des ganzen Kollektivs. Die Einbeziehung eines jeden in die Erfüllung von Aufgaben bewirkt dessen stärkere innere Beteiligung am Sektions- und Gruppenleben, den Stolz über das Gelingen einer Veranstaltung, an der er beteiligt war, und damit die Festigung des ganzen Kollektivs. (…)

2.3.3. Die Rolle der Widersprüche im Kollektiv

Es wäre falsch, anzunehmen, daß es in einem Kollektiv im Interesse seiner Entwicklung keine unterschiedlichen Standpunkte, Meinungen, Verhaltensweisen und Motive geben darf. Widersprüche und ihre Lösung sind die Triebkraft für die Entwicklung des Kollektivs. Wir wissen, daß sie zwischen den Mitgliedern, aber auch zwischen dem Leiter und den Mitgliedern auftreten.

Werden sie nicht in Aussprachen, Diskussionen, durch gegenseitiges Verständnis und Toleranz gelöst, dann kann das – je nach Bedeutung des Problems – schwerwiegende Folgen für die Entwicklung der Sektion bzw. Gruppe haben. So kann z.B. die Unzufriedenheit mit den Leitungsmethoden des Übungsleiters zu Routine und Desinteresse, zu Grüppchenbildung und letztlich zur Verkümmerung oder zum Zerfall der Gruppe führen. Ursachen für die Nichtlösung von Widersprüchen sind vor allem beim Leiter zu suchen, in seiner Unerfahrenheit und vielleicht auch Unfähigkeit, die Bedeutung des betreffenden Problems für die Gruppe einzuschätzen und eine Lösung entsprechend den Zielen des Verbandslebens herbeizuführen, indem mit Sachlichkeit und Verständnis die Argumente beraten und geprüft werden.

2.3.4. Zu den Perspektiven des Kollektivs

Ein jedes Kollektiv stellt sich bestimmte Ziele. Arbeitskollektive nehmen sich vor, z. B. die Arbeitsorganisation zu verbessern. In den Freizeitkollektiven, wie den Sektionen und Wandergruppen, geht es um die niveauvolle Gestaltung des Gruppenlebens. Die Perspektiven eines Kollektivs sind also die Ziele und Aufgaben, die es sich stellt. (…)
Kaukasus4…zum Elbrus

Werden die Perspektiven des Kollektivs … so gestellt, daß sie jeder anerkennt, dann trägt ihre Erfüllung dazu bei, daß die Sportfreunde gern am Sektionsleben teilnehmen, daß sie sich auf die Wanderungen und Sektionsabende freuen und mit Schwung das nächste Ziel ansteuern. (…)

2.3.5. Traditionen des Kollektivs

Traditionen des Kollektivs sind Gepflogenheiten, Normen, Bräuche u. ä., die sich herausgebildet haben und im Sektions- oder Gruppenleben eine Rolle spielen. Sie werden ständig wiederholt und geben somit der Sektion ihr besonderes Gepräge, wie z. B. die kulturell-ästhetische Gestaltung einer Zusammenkunft, das Singen eines Liedes zu Beginn und am Ende eines Sektionsabends, das Rezitieren eines Gedichts, die Besprechung eines Landschaftsbildes oder das Erzählen einer lustigen Geschichte. (…)

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß sich in einer Sektions- oder einer Wandergruppe auch negative Traditionen herausbilden können, z.B. undiszipliniertes Verhalten auf Fahrten und Wanderungen, das Nichtbeachten von Naturschutzbestimmungen, Unpünktlichkeit usw. Darin zeigt sich, daß Traditionen eines Kollektivs von den Zielstellungen unseres Verbandes und den Perspektiven der Wandergruppe abgeleitet werden müssen, wenn sie dazu beitragen sollen, das Leben des Kollektivs zu steuern.

2.3.6. Die Bedeutung der kollektiven Meinung und der bewußten Disziplin

Die Anschauungen und Urteile des Kollektivs, die das Verhalten und Handeln des Kollektivs bestimmen, werden als kollektive Meinung bezeichnet. Die kollektive Meinung hat eine Mittlerfunktion zwischen den gesellschaftlichen Zielstellungen der Verbandsarbeit und dem Bewußtsein des einzelnen. Die kollektive Meinung kann wesentlich dazu beitragen, daß sich auch in der Freizeit sozialistische Persönlichkeitseigenschaften entwickeln und festigen.

Sie tritt jeweils als Forderung an das einzelne Mitglied heran und veranlaßt es, im Sinne des Kollektivs zu handeln. In der kollektiven Meinung zeigt sich auch der Entwicklungsgrad des Kollektivs (…)

Damit sich eine kollektive Meinung herausbildet, ist es notwendig, bestimmte Normen des Sektionslebens deutlich zum Ausdruck zu bringen, über Vorkommnisse, die diesen Normen nicht entsprechen, wie z.B. die ungenügende Beachtung der Herbergsordnung, mangelnde Disziplin bei einer Hochgebirgswanderung, offen zu sprechen, die Meinung der Mitglieder zu verlangen und Werturteile über das betreffende Verhalten zu fordern.
Kaukasus3…für alle ein bewegendes Erlebnis

Es muß erreicht werden, daß alle einen Standpunkt einnehmen, damit sich wirklich eine kollektive Meinung herausbildet und in bewußter Disziplin von allen beachtet wird. Diese bewußte Disziplin der Mitglieder wird von der Einsicht bestimmt, daß im Leben der Gruppe ein bestimmtes Verhalten notwendig ist, damit das Gruppenleben reibungslos und für alle angenehm und interessant verlaufen kann.

Die Kollektiverziehung in den Sektionen muß berücksichtigen, daß es sich um Freizeitkollektive handelt und die Mitglieder einer Gruppe aufgrund von beruflicher Belastung, politischer Tätigkeit, Studium, Weiterbildung und anderen Interessen nicht, an jeder Veranstaltung des Kollektivs teilnehmen können. Die Funktionäre müssen das verstehen und Einfluß auf die Aktivität der Mitglieder vor allem durch gezielte Aufgabenstellung, entsprechend den besonderen Möglichkeiten des Mitglieds, nehmen. Die Entwicklung einer Sektion zu einer festen Gruppe nimmt längere Zeit in Anspruch.

Außer den in der Gruppe zu gestaltenden Perspektiven und Traditionen sowie den vielfältigen Tätigkeiten sind die Kollektivatmosphäre, der Stil und der Ton des Umgangs untereinander, die Herausbildung einer kollektiven Meinung und disziplinierten Verhaltens, die Bereitschaft zu Kritik und Selbstkritik von besonderer Bedeutung.

Quelle:
Dr.Gerhard Claus et al., Sportliches Wandern, Sportverlag Berlin (DDR) 1977, S.24-31

Anmerkung:
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen – außer vielleicht, daß das für andere Kollektive auch gilt. Und – es handelt sich um ein „sozialistisches Kollektiv“. Daß dafür natürlich nicht der dümmliche Spruch gilt: „Der Weg ist das Ziel“, dürfte verständlich sein, denn die oben genannten Wanderer würden sonst vermutlich noch immer ziellos im Kaukasus herumirren…

Siehe auch:
Was ist eigentlich ein Kollektiv?

Gedanken zur sog. "Wiedervereinigung"

Benjamin fragt:
Was denkt ihr eigentlich über die DDR und über den Stalinismus?

Hallo Benjamin,
was denke ich eigentlich über die DDR? Nun, ich bin in der DDR geboren. Dieses Land war mein Vaterland. Ich habe hier gelebt, gelacht, gelernt, studiert, gearbeitet – kurzum: ich habe dieses Land mit allen seinen Mängeln und Fehlern geliebt. Ich war nie arbeitslos, denn bei uns gab es das nicht. Es gab auch keine Zukunftsangst, wie das heute bei vielen Menschen der Fall ist. Ich konnte zum Zahnarzt gehen, ohne dafür etwas bezahlen zu müssen. Die Frauen hatten jeden Monat einen freien Haushaltstag, um ihre Kinder zu betreuen. Und so mancher Betrieb hatte sogar eine Kinderkrippe, wo ausgebildete Erzieherinnen den ganzen Tag für die Kleinen da waren, mit ihnen spielten, und das kostete die Eltern keinen Pfennig. Selbstverständlich bekamen die Frauen den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen, und viele Frauen haben sich sogar neben dem Beruf noch qualifiziert, studiert oder ihren Meister gemacht. Es gab viel Kollektivität, die Menschen haben einander geholfen. Ja, das waren nur einige der Vorzüge unseres sozialistischen Vaterlandes. Sicher, es gab bei uns auch die Polizei und das MfS, aber davon habe ich nicht allzuviel gemerkt. Sie waren einfach da. Und das war auch gut so. Denn man darf nicht vergessen, die Betriebe und die Produktionsmittel waren Volkseigentum. Und seit der Gründung der DDR gab es eine Menge Leute, denen diese Richtung nicht paßte: ehemalige Großgrundbesitzer, Adlige, Fabrikbesitzer, Spekulanten, Schieber, ehemalige Nazis. Die meisten von denen haben anfangs ihr Geld und ihren Schmuck geschnappt und sind in den Westen abgehauen. Einige haben sogar noch schnell in der DDR studiert und sind danach geflüchtet. Bis 1961 wurden viele Fachkräfte in den Westen ausgeschleust. Doch dann wurde die Grenze endlich zugemacht. Ich muß sagen, mich hat das nicht gestört. Im Gegenteil. Unsere Kinder hatten trotzdem ihre Ferien, und sie konnten mit Jugendtourist günstig ins Ausland verreisen. Auch gab es im Vergleich zum heutigen Deutschland in der DDR eine verschwindend geringe Kriminalität. Die Menschen gingen einfach viel friedfertiger miteinander um.

Und zu Stalin? Die Sowjetunion war das erste sozialistische Land auf dieser Erde. Die Arbeiter und Bauern haben 1917 die Kulaken, die Ausbeuter und andere Parasiten davongejagt, sie haben die Macht übernommen. Das war nicht leicht. Es gab fast immer feindliche Überfälle, Sabotage in den Betrieben, und es gab Bürgerkrieg. Dabei standen die Kommunisten an der Spitze der revolutionären Arbeiterklasse und Bauern. Viele ehrliche Arbeiter, viele Kommunisten mußten damals ihr Leben lassen. Lenin hatte sich zuvor über den Kommunismus ausführliche Gedanken gemacht. Und Stalin setzte dieses Werk fort. An der Spitze der Kommunistischen Partei führte er dieses Riesenland aus bitterster Armut zu kosmischen Erfolgen. Du kannst Dir sicher vorstellen, welch eine gewaltige Leistung das war. Es wurden riesige Staudämme gebaut, Wasserkraftwerke, Traktorenfabriken usw. Dann kam 1941 der faschistische Überfall. Heldenhaft verteidigten die Völker der Sowjetunion ihr Land. Unter riesigen Verlusten befreiten sie schließlich ganz Europa vom Faschismus. Und Stalin war nicht nur ein bedeutender Staatsmann, sondern auch ein kluger Heerführer. Wenn heute von Millionen Toten des „Terrors unter Stalin“ gesprochen wird, so muß man sagen, daß denen die davon reden, keine Lüge groß genug ist, wenn es nur gegen den Sozialismus geht. (Das haben wir ja sehr anschaulich auch an der DDR gemerkt, die heute als „Unrechtsstaat“ beschimpft wird.) Nach Stalins Tod kam Chrustschow an die Macht, und er verleumdete seinen Vorgänger wo immer er nur konnte. 1956 beschuldigte er Stalin des Personenkults und gab vor, den Sozialismus „wieder herstellen“ zu müssen. Man muß wissen, daß gerade er sich stets hervorgetan hatte, wenn es darum ging, Verräter oder angebliche Volksfeinde „umzulegen“. Mit seinen oft widersinnigen wirtschaftlichen Kampagnen wie „Rinderoffenställe“ oder „Wurst am Stengel“ (Mais) und mit seiner hinterhältigen Außenpolitik säte Chrustschow Zwietracht unter die sozialistischen Länder, und er verriet die Ideale seines ganzen Volkes. Das brauchte der russische Gangster „Gorbi“ nur noch zu vollenden, um den Untergang des ersten sozialistischen Landes der Welt zu besiegeln. Heute haben dort die Oligarchen wieder die Macht. Sie schmeißen die Gläser an die Wand und freuen sich ihres Erfolges. So war das, und so ist es heute!

Das ist nun doch ein bißchen länger geworden als ich dachte, aber ich hoffe, daß Du verstehst, warum wir die DDR als die größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterklasse betrachten und warum wir auch Stalin als einen hervorragenden Staatsmann ehren.

Mit den besten Wünschen!
Erwin

Kommentar:
Diesen Brief schickte mir Erwin. Er besuchte in Torgau die Polytechnische Oberschule, lernte danach den Beruf eines Landmaschinenschlossers und studierte anschließend an der TU Dresden Maschinenbau. Nach dem Studium arbeitete er als Mitarbeiter und später als Abteilungsleiter in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb in der Lausitz. Erwin ist verheiratet, seine Frau arbeitete in der Buchhaltung. Er war Mitglied der SED und im FDGB. Die beiden Kinder sind inzwischen erwachsen. Bis dahin ein völlig normaler DDR-Lebenslauf! Als die DDR vom Westen einverleibt wurde, war Erwin gerade mal 56 Jahre alt. Er wurde kurz darauf arbeitslos und ging wenig später in den „Vorruhestand“ – heute ist er Rentner. So endete diese „Erfolgsgeschichte“…

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Trotzki verrät die junge Sowjetmacht

Wir schreiben das Jahr 1918. Gerade hatte die Oktoberrevolution gesiegt, und die junge Sowjetmacht mußte sich schützen, so gut es ging. Die Feindseligkeit der Alliierten hatte sie in eine isolierte Stellung gedrängt. Ihre schwachen Kräfte reichten nicht aus, um der gewaltigen deutschen Heeresmacht ohne Verbündete entgegenzutreten. Und die unmittelbarste Bedrohung ging von Deutschland aus. Um Rußland zu retten und Zeit für die dringendste Aufbauarbeit zu gewinnen, schlug Lenin ein sofortiges Friedensangebot vor. Auf Lenins Wunsch reiste sofort eine sowjetische Friedensdelegation nach Brest-Litowsk, dem Hauptquartier der deutschen Ostarmee, um die Friedensbedingungen der Deutschen kennenzulernen…

Trotzki läßt die Friedensverhandlungen platzen

Die Opposition gegen Lenin wurde von dem ehrgeizigen Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, Leo Trotzki, geführt, der sich als Lenins Nachfolger dünkte. Vierzehn Jahrelang war Trotzki ein erbitterter Feind der Bolschewiki gewesen, bis er schließlich wenige Monate vor der Oktoberrevolution, im August 1917, Lenins Partei beitrat und mit ihr zur Macht gelangte. Jetzt organisierte Trotzki innerhalb der bolschewistischen Partei eine Linksopposition.
Trotzki_DelegationEine Delegation unter Leitung von Trotzki reist nach Brest-Litowsk

Trotzki hatte von Lenin den ausdrücklichen Auftrag erhalten, in Brest-Litowsk zu unterzeichnen. Statt dessen forderte Trotzki das europäische Proletariat mit flammenden Worten auf, sich zu erheben und seine Regierungen zu stürzen. Die Sowjetregierung, erklärte er, würde um keinen Preis mit einem kapitalistischen Regime Frieden machen. »Weder Frieden noch Krieg!« rief Trotzki aus. Er sagte den Deutschen, die russische Armee werde weiter demobilisieren, aber er lehnte es ab, den Frieden zu unterzeichnen. Lenin kritisierte scharf Trotzkis Verhalten in Brest-Litowsk und bezeichnete seine Vorschläge — »Abbruch des Krieges, Ablehnung eines Friedensschlusses und Demobilisierung der Armee« — als »Wahnsinn oder etwas Ärgeres als Wahnsinn«.

Ein britischer Agent versucht die Bolschewiki zu spalten

Bruce Lockhart war ein Produkt der exklusiven englischen „Public-School“-Erziehung. Mit 24 Jahren trat er in den diplomatischen Dienst ein. Er war hübsch und intelligent und galt nach kurzer Zeit als einer der begabtesten und meistversprechenden jungen Leute des britischen Außenamtes.
Bruce_Lockhart
Mit 30 Jahren war er Vizekonsul in Moskau. Er sprach fließend Russisch und kannte alle Intrigen und Einzelheiten der russischen Politik. Zugleich war er Agent des englischen diplomatischen Geheimdienstes. Inoffiziell hatte er die Aufgabe, die innerhalb der Sowjetregierung bestehende Opposition für die britischen Interessen auszunutzen. Als Lockhart Anfang 1918 in Petrograd eintraf, weilte Trotzki als Führer der sowjetischen Friedensdelegation in Brest-Litowsk.

Lockhart enthüllte später in seinen Memoiren »British Agent«(1), daß man sich im englischen Außenamt für diese Mißstimmigkeiten zwischen Lenin und Trotzki außerordentlich interessierte — »Mißstimmigkeiten, von denen sich unsere Regierung sehr viel erhoffte.« Trotzkis Verhalten verursachte den Zusammenbruch der Friedensverhandlungen. Das deutsche Oberkommando ging von Anfang an widerstrebend auf die Verhandlungen mit den Bolschewiki ein. Trotzki spielte nach Lenins Aussage den Deutschen in die Hand und »half den deutschen Imperialisten«.(2)

Die gewaltige deutsche Heeresmacht greift an

Zehn Tage nach dem Abbruch der Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk begann das deutsche Oberkommando an der Ostfront eine Generaloffensive von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Im Süden überfluteten die deutschen Armeen die Ukraine. Im Mittelabschnitt wurde der Angriff durch Polen gegen Moskau vorgetragen. Narwa fiel im Norden, Petrograd war bedroht. An allen Teilen der Front brachen die letzten Überreste der alten russischen Armee auseinander. Das neue Rußland schien dem Untergang geweiht.
Donezk1918Eine Abteilung von Arbeitern aus dem Donezkgebiet im Kampf gegen die deutschen Interventen in der Nähe der Ortschaft Gundorowski 1918

Da strömten aus den Städten die in aller Eile von den bolschewistischen Führern mobilisierten bewaffneten Arbeiter und Rotgardisten herbei. Die aus ihren Reihen gebildeten Regimenter warfen sich dem Ansturm des Feindes entgegen. Die ersten Einheiten der Roten Armee wurden eingesetzt. Am 23. Februar 1918 gelang es, den deutschen Angriff bei Pskow zum Stillstand zu bringen.(3) Petrograd war nicht mehr unmittelbar bedroht. Wieder begab sich eine sowjetische Friedensdelegation nach Brest-Litowsk — diesmal ohne Trotzki.

Quelle:
M.Sayers – A.Kahn, Die große Verschwörung, Verlag Volk und Welt,
Berlin (DDR), 1953, S.33ff.
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Anmerkungen:
(1) Memoirs of a British Agent (Putnam, London, 1934)

(2) Obwohl Trotzki die Kampfunfähigkeit der russischen Armee zugab, weigerte er sich als »Weltrevolutionär«, in Brest-Litowsk den Friedensvertrag zu unterzeichnen, weil ein solcher Friede einen Verrat an der internationalen Revolution bedeuten würde. Mit dieser Begründung lehnte es Trotzki ab, die Instruktionen Lenins zu befolgen. Später erklärte Trotzki sein Verhalten aus einer falschen Beurteilung der Sachlage. So sagte er auf dem bolschewistischen Parteitag vom 3. Oktober 1918, nachdem der inzwischen erfolgte Angriff Deutschlands auf Rußland beinahe zur Besetzung von Petrograd und zur Vernichtung des Sowjetregimes geführt hatte: »Ich halte es für meine Pflicht, in dieser maßgebenden Versammlung auszusprechen, daß zu einer Zeit, wo viele von uns und auch ich die Unterzeichnung des Friedens von Brest-Litowsk für unzulässig hielten, einzig und allein Genosse Lenin sich standhaft und mit erstaunlichem Weitblick gegen unsere Opposition für die Annahme der Bedingungen einsetzte . . . Wir müssen zugeben, daß wir im Unrecht waren.«

Trotzki war nicht der einzige, der zur Zeit der Verhandlungen von Brest-Litowsk einen solchen Standpunkt einnahm. Während er in Brest-Litowsk agitierte, richtete sein wichtigster persönlicher Vertreter in Moskau, Nikolai Krestinski, öffentliche Angriffe gegen Lenin und sprach von der Notwendigkeit, einen »revolutionären Krieg gegen den deutschen Imperialismus, die russische Bourgeoisie und einen Teil des von Lenin gelenkten Proletariats« zu führen. Trotzkis Bundesgenosse in dieser oppositionellen Bewegung, Bucharin, brachte in einer Sonderkonferenz der sogenannten linken Kommunisten folgende Resolution ein: »Im Interesse der internationalen Revolution halten wir es für ratsam, auf den Sturz der Sowjetmacht hinzuwirken, die nur noch eine formale Geltung hat.« Im Jahre 1923 enthüllte Bucharin, daß die Opposition während der Krise von Brest-Litowsk tatsächlich die Spaltung der bolschewistischen Partei, den Sturz Lenins und die Errichtung einer neuen russischen Regierung plante.

(3) Der 23. Februar 1918, der Tag, an dem es den Russen gelang, die Deutschen bei Pskow zurückzuschlagen, wird als Geburtstag der Roten Armee gefeiert.

Siehe auch: Der sowjetfeindliche Verschwörer Trotzki