Der erste Mai – ein Tag der Biertrinker?

Gedanken zum ersten Mai

Über zwanzig Jahre brutale Herrschaft des Monopolkapitalismus haben in aller Welt dazu geführt, daß die Rechte der arbeitenden Menschen drastisch eingeschränkt wurden. Zu allem Übel wurden die Gewerkschaften bzw. deren Bosse immer mehr zu Lakaien der Bourgeoisie und zu Verrätern an der Arbeiterklasse, so daß sich ihre eigentliche Funktion ins Gegenteil verkehrt. Dieselben Leute, die am 1. Mai „kämpferische“ Lügenreden halten, kungeln anderntags hinter verschlossenen Türen mit den Bossen der Konzerne. Die Arbeiter wissen oft nicht so recht, was da geschieht, und sie fühlen sich am Ende verraten und verkauft. Die Bedeutung des 1.Mai hat sich verändert…
1.MaiIm Sozialismus ein Grund zum Feiern: Der 1. Mai – ein sowjetisches Plakat

Die Sonne scheint: Es ist der 1. Mai

Ist es nun ein „Kampf- und Feiertag der Werktätigen“ wie einst in der DDR? Oder eher ein Familienwandertag, ein Tag der Spaziergänger und Biertrinker? Eine sehr anschauliche Beschreibung, wie die proletarische Klasse diesen arbeitsfreien Tag begeht, lieferte modesty, und sie kommt (offenbar resignierend?) zu dem Schluß: „Nichts gegen schlagkräftige Gewerkschaften. Aber ich fände es schön, wenn sich die bessergestellten unter den Arbeitern auch einmal einen Gedanken um die weniger gut gestellten machen würden. Die schöne alte Solidarität wieder aufleben lassen würden.“ [1] Tja, wie ist das nun mit der Solidarität? Gibt es sie eigentlich noch? Oder lebt heute jeder nach dem Motto: Rette sich wer kann? Was geht mich fremdes Elend an? Um den Sinn dieses Kampf- und Feiertages der Werktätigen zu verstehen, muß man etwas „in die Tiefe“ gehen…

Brauchen wir eigentlich noch den Klassenkampf?

Da die lohnabhängigen Arbeiter im Kapitalismus ihre Arbeitskraft an die Kapitalisten, d.h. die Besitzer der Produktionsmittel, verkaufen müssen, um existieren zu können, geht der Kampf zunächst um ökonomische Forderungen. Es geht also um den Wert der Ware Arbeitskraft. „Der Wert der Arbeitskraft“, so schreibt Karl Marx, „wird aus zwei Elementen gebildet – einem rein physischen und einem historischen oder gesellschaftlichen. Seine äußerste Grenze ist durch das physische Element bestimmt, d.h., um sich zu erhalten und zu reproduzieren, um ihre physische Existenz auf Dauer sicherzustellen, muß die Arbeiterklasse die zum Leben und zur Fortpflanzung absolut unentbehrlichen Lebensmittel erhalten. Der Wert dieser unentbehrlichen Lebensmittel bildet daher die äußerste Grenze des Werts der Arbeit. … Wenn die tägliche Erschöpfung seiner Lebenskraft einen bestimmten Grad überschreitet, kann sie nicht immer wieder aufs neue, tagaus, tagein, angespannt werden. … Außer durch dies rein physische Element ist der Wert der Arbeit in jedem Land bestimmt durch einen traditionellen Lebensstandard. Er betrifft nicht das rein physische Leben, sondern die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse, entspringend aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, in die die Menschen gestellt sind und unter denen sie aufwachsen.“ Darum werden die Arbeiter im Kapitalismus immer kämpfen müssen. „Das Maximum des Profits ist daher begrenzt durch das physische Minimum des Arbeitslohnes und das physische Maximum des Arbeitstags.“

Aus ökonomischem Kampf wird politischer Kampf

Doch dieser „Kleinkrieg“ ändert noch nichts am kapitalistischen System der Ausbeutung. Weiter führt Marx aus: „Die Frage löst sich auf in die Frage nach dem Kräfteverhältnis der Kämpfenden. … Was die Beschränkung des Arbeitstags angeht, … so ist sie nie anders als durch legislative Einmischung erfolgt. Ohne den ständigen Druck der Arbeiter von außen hätte diese Einmischung nie stattgefunden. Jedenfalls aber war das Resultat nicht durch private Vereinbarung zwischen Arbeitern und Kapitalisten zu erreichen. Eben diese Notwendigkeit allgemeiner politischer Aktion liefert den Beweis, daß in seiner rein ökonomischen Aktion das Kapital der stärkere Teil ist.“
Klar ist, was Marx hier meint: Solange der Kampf der Arbeiterklasse sich auf rein ökonomische Fragen beschränkt: um mehr Geld, um höhere Löhne, d.h. auf die Erhaltung und Reproduktion der eigenen Arbeitskraft, solange wird auch das Kapital am längeren Hebel sitzen. Und solange es nicht „die schöne alte Solidarität“ gibt, wird sich daran auch nichts ändern.

Das Gesetz von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt

Und hier noch eine interessante Feststellung von Marx: „Was die Grenzen des Werts der Arbeit angeht, so hängt seine faktische Festsetzung immer von Angebot und Nachfrage ab, ich meine die Nachfrage nach Arbeit von seiten des Kapitals und das Angebot von Arbeit durch die Arbeiter. In den Kolonialländern begünstigt das Gesetz von Angebot und Nachfrage den Arbeiter. Daher der relativ hohe Lohnstandard in den Vereinigten Staaten. Das Kapital kann dort sein Äußerstes versuchen. Es kann nicht verhindern, daß der Arbeitsmarkt ständig entvölkert wird durch die ständige Verwandlung von Lohnarbeitern in unabhängige, selbstwirtschaftene Bauern.“ Der Fachkräftemangel begünstigte die Lohnarbeiter. Daher auch der relativ hohe Lebensstandard in der BRD. Doch das Kapital ist in den letzten Jahren bedeutend gewachsen, stärker als die Nachfrage nach Arbeit. Die Produktivität erhöhte sich, was wiederum die qualifizierte Arbeit mehr und mehr überflüssig macht und entwertet, ganz zum Nachteil der Arbeiter. Aber heißt das nun, daß die Arbeiter auf weitere Lohnforderungen verzichten? Nein, das heißt es nicht. Doch die Arbeiterklasse, so schreibt Karl Marx, sollte „nicht vergessen, daß sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen“. Zwar verlangsamt ein jeder Streik, jeder Lohnkampf die Abwärtsbewegung des gegenwärtigen Systems, schafft sie aber nicht ab.

Wozu brauchen wir Gewerkschaften?

Hier nun wieder Karl Marx: „Die Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkt des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie on ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihre Macht gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung de Lohnsystems.“ [2] … Die Formen der Auseinandersetzung mit den Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft sind offenbar nicht mehr zeitgemäß. Und im übrigen hatte Lenin schon recht…
Zitat von Lenin

Quelle:
[1] Blog von modesty: Die Arbeiterklassengesellschaft
[2] Karl Marx, Lohn, Preis und Profit, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Ausgewählte Werke, Bd.III, Dietz Verlag Berlin, 1987, S.121-128 (alle Zitate)
(3) W.I.Lenin, Werke, Bd.31, Dietz Verlag Berlin, 1959, S.274.

Siehe auch:
Eine kleine Nachlese zum 1. Mai 2012
Wozu brauchen wir eine Gewerkschaft?
Jochen Hoff: Gewerkschaftsfuntionäre als Aufsichtsräte

4 Gedanken zu “Der erste Mai – ein Tag der Biertrinker?

  1. Hallo!

    Tja der 1. Mai ist auch nicht mehr das was er mal war okay aber bleiben wir mal bei der BRD da ist dann das hier schon eher Zutreffend….

    ….“Oder eher ein Familienwandertag, ein Tag der Spaziergänger und Biertrinker“…..und auch irgendwie Resignation, Ignoranz, Ich-Denken, Rette sich wer kann, was geht mich fremdes Elend an usw., warum ist das so, nun ja weil wir eben eine tief gespaltene Gesellschaft sind und die Gemeinschaft 1989 zu Grabe getragen haben, jeder der die ehemalige DDR noch im vollen Bewusstsein erlebt hat weiß was ich damit meine.

    Da hier viel zu viele ihren eigenen Kampf führen oder bereits vor diesen System kapituliert haben sind solche Themen wie der 1.Mai, DDR, Sozialismus,Kommunismus, Lenin,Marx,Castro,Hartz IV usw. für die meisten Tabu, leider ist das so und wir können das weder ändern noch werden wir es erleben das die Menschen sich hier besinnen.

    Man wird weiter seine Henker wählen, man wird seine Arbeitskraft weiterhin weit unter Preis verkaufen, man wird sich ducken und Sklave bleiben, den aufrechten Gang beherrschen hier nur noch sehr wenige und du wie auch viele andere hier sind nur Rufer in der Wüste, naja ich gehöre ja irgendwie auch dazu und schäme mich nicht dafür und Aufhören werde ich schon mal garnicht.

    Hab noch einen guten Tag.

    Gruß Teja

    Like

  2. Hallihallo, Norbert –
    Deine Überschrift für diesen Beitrag bejahe ich – fast enttäuscht und entsetzt – vollständig, wie – die allerdings völlig begeistert – auch alle fortlaufenden Gedanken und Thesen!
    Unsere großen Klassiker – welche Klugheit, welche Weitsicht!!!
    Aus meiner Sicht nur immer wieder bedauerlich, daß sich die große Masse der Menschen so problemlos für die Beliebigkeit unserer Zeit begeistern läßt, statt über solche, wie von Dir aufgezeigten Zusammenhänge und daraus resultierenden Notwendigkeiten nachzudenken!

    Herzliche Grüße aus dem Wuhletal!
    Übrigens: Ich hatte zwei Kommentare geschrieben – spurlos verschwunden – warum???

    Like

  3. Morgen ist nun endlich wieder der 1. Mai, der schon seit Jahrzehnten alle Reichen und Mächtigen, Gesunden und Schönen dieser unserer Republik an Händen und Füßen, mit Ober-und Untekiefer zittern und klappern lassende Großkampftag des – DGB!
    Aus der Aufstandszentrale des DGB sickerte inzwischen durch, dass der Große Vorsitzende dieses Vortrupps des deutschen und revolutionären Weltproletariats, der weltweit geehrte und geliebte Kampfgenosse M.S. schon seit Wochen vor eineŕ verspiegelten Wandtür seines heimischen Schlafzimmers eine diesesmal besonders heftige und kämpferische Rede einstudiert haben soll.
    Mehrere hundert schon seit vielen Jahren in der Aufstandszentrale des DGB sich zum Aufstand rüstende Mitarbeiter und Kämpfer, seit Jahren nur noch in tiefster Illegalität arbeitende verdienstvolle Funktionäre, einghüllt in diesesmal besonders tiefrote Gewerkschaftsfahnen sollen am morgigen 1.Mai ihren großen revolutionären Vorsitzenden und Führer in lauten Sprechchören stürmisch begleiten.
    Wir müssen doch nur eins und eins zusammenzählen.
    Der ungestüm mit seinen revolutionären Rammbock schon seit Monaten auf die bisher für ihn noch verschlossenen Türen des Aufsichtsrates der Deutschen Bank mächtig zubrausende Gewerkschaftskollege Bsirske einmal, zum zweiten der Große DGB-Vorsitzende mit seiner morgigen die Welt erschüternden Rede, gegen welche der Kanonendonner der Aurora bestenfalls kleine ausgegangenes Knallfrosch-Zischen gewesen sein dürfte, das ist die unmittelbar bevorstehdende revolutionäre Situation zum morgigen 1.Mai, anno 2013, einem wahrscheinlich weltgeschichtlichen Datum.
    Niemand sollte morgen noch nach 10 Uhr im Bett liegen.
    Es gilt, den TV anzuschalten und so den Sturz des Kapitals und die Ausrufung des Kommunismus live mitzuerleben.
    Um sie aber auch als hoffentlich aktive Gewerkschaftler mitgestalten zu können, sind bei den anschließenden Zusammenkünften mit seinen revolutionären Kollegen viel Bier, Grillfleisch und natürlich viel und brauchbare Grillkohle mitzubringen zum entschlossenen weiteren Anfachen der revolutionären Glut und kommenden revolutionären Weltbrandes.

    Gewerkschaftler aller Bundesländer und der gesamten EU, unter dem rumvollen Banner des DGB, vorwärts zu sozialen Frieden und viel Arbeit für alle, guten Löhnen und guten Gewinnen!

    Es lebe der 1.Mai! Es lebe der DGB!

    http://duckhome.de/tb/archives/10771-Gewerkschaftsfunktionaere-als-Aufsichtsraete.html

    Anmerkung:
    mit „M.S.“ ist der Günstling der Bosse Michael Sommer gemeint, der sich lange genug gegen die Interessen der arbeitenden Klasse abgerackert hat. „Sommer und der gesamte DGB sind Feinde der arbeitenden Klasse. Sie arbeiten ausschließlich für ihr eigenes und das Interesse des Großkapitals.“ N.G. (Zitat: duckhome)

    Like

  4. Zum Thema DGB ein leider noch immer sehr aktueller und treffender Text aus dem Jahre 1982:

    http://www.sofo-eimsbuettel.de/gegendgb.php

    Zur gleichen Zeit erschien beim Resultate Verlag der Marxistischen Gruppe das überaus wichtige kleine Büchlein mit dem Titel

    „Der DGB – Partei im Dienst von Staat und Kapital“

    sowie bei verschiedenen Anlässen Flugbätter mit der Überschrift

    „30 Jahre DGB sind genug!“

    und ähnliche Klarstellungen.

    Bei COOP und Neuer Heimat, der Bank für Gemeinwirtschaft und in vielen anderen gewerkschaftlichen Unternehmen mästeten sich damals zahllose hohe Gewerkschaftfunktionäre.
    Ein führender damaliger Südwest- IG Metaller (F. Steinkühler) brachte es bei seinen Kollegen und bürgerlichen Zeitungsleuten zu großer Aufmerksamkeit mit italienischen Maßanzügen und Privat-Porsche, schweren Daimler-Dienstwagen, bekleidete natürlich viele Aufsichtsratspöstchen und wurde dank dieser und Insider-Wissen Millionär.
    Eigentlich alles schon alte Kamellen, doch wie lange wollen sich Deutschlands Lohnknechte so etwas noch bieten lassen, solche Leute noch weiter mit einem Prozent vom Brutto weiter mitdurchfüttern?
    Mit Mangel an Aufklärung und Wissen allein kann dieses Treiben auf alle Fälle nicht erklärt werden.
    Hier spielen noch eine Menge weiterer Faktoren eine Rolle.
    Die ganze erbärmliche unwürdige gesellschaftliche Stellung und Rolle des gegenwärtigen Proletariats spiegelt sich eben auch in solchen Gewerkschafts-Gestalten wieder, erscheint in diesen Gestalten das Wesen dieser Gewerkschaften als verlängerter Arm des Kapitals gegen die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Proletarier.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar